Materialvergessen und materialversessen

Malerei #011. Ungegenständlich heute“ im Kunstraum Alexander Bürkle

Genau genommen ist ja an der Malerei nicht viel mehr dran als die Farbe auf dem Bildträger. Doch welche Farbe und welches Trägermaterial – da fangen die Probleme schon an und welche Rolle spielt überhaupt der Künstler, sein Temperament und sein Verhältnis zur Welt? Beginnt man zu fragen, ist auch schon die Büchse der Pandora geöffnet und das, was klar schien, wird auf einmal schillernd vieldeutig. Der Kunstraum Bürkle erkundet nun in der Ausstellung „Malerei #011. Ungegenständlich heute“ das Wesen zeitgenössischer Abstraktion. Werke von Corey d’Augustine, Christian Frosch, Michael Toenges sowie Klaus-Martin Treder und Maria Magdalena Z’Graggen werden Arbeiten aus der Sammlung etwa von Christian F. Kintz, Max Cole oder Günter Umberg gegenübergestellt. Was Sammlungsbestand ist, vergisst sich leicht, denn die gezeigten Künstler setzen sich mit ähnlich gewichteten Fragen auseinander.
„Malerei #011. Ungegenständlich heute“ gibt sich als produktive, weit verzweigte Recherche, die einen sehr anregenden Rundgang über das Terrain zeitgenössischer Malerei darstellt. So hat die Malerei beim jungen amerikanischen Maler Corey d’Augustine einen ausgesprochen glamourösen Auftritt. Der New Yorker verwendet für seine Bilder Lidschatten, der der Bildoberfläche einen perlmuttartigen Schimmer verleiht. Und doch ist es eine ganz eigene Wirkung, die sich angesichts der pastellfarbenen metallicglänzenden Oberflächen einstellt. Corey d’Augustine zitiert durch sein Material die Aura des Bildes und Pigmentfarben aus Halbedelsteinen, die früher auch zum Schminken verwendet wurden. Zugleich aber überzieht die Bilder ein leicht gräulicher Schleier, der schäbig und billig wirkt: Malerei als Täuschungsmanöver. Corey d’Augustine hat sein Interesse nicht allein auf Lidschatten konzentriert, in Freiburg sind auch einige seiner Asphaltbilder von aufgeworfener, silberner Oberfläche zu sehen. Er benutzt aber auch Motoröl und Rost für seine Bilder.
Das Spektrum ist groß, das hier im Kunstraum Alexander Bürkle versammelt ist. Es umfasst gleichsam eine sehr minimalistische Arbeit von Martina Klein, die zwei bemalte Maluntergründe aus Baumwolle derart an der Wand platziert, dass sie eine Art Hohlkehle bilden. Weniger überzeugend ist da die Werkreihe von Christian Frosch, der mehrere Blautöne Bootslack in Plastikbechern auf weiß grundierten Sockeln platziert hat, deren Inhalt sich allmählich durch das Plastik durchgefressen und auf der MDF-Platte verteilt hat. Eine eher plakative Idee hat Frosch hier zu einer Versuchsreihe ausgeweitet. Günter Umberg hingegen reduziert Malerei ganz auf die Komponenten Holz und Pigmente. Umberg mischt sie nicht an, sondern bindet sie durch eine Holzgrundierung und das Naturharz Dammar auf die Oberfläche. Die malerische Geste weicht der Präsenz der Farbe. Klaus-Martin Treder wiederum dürfte dies viel zu weihevoll sein. Wer genauer hinsieht, erkennt auf dem Bildgrund nicht nur Kreise und Farbspritzer, die auf die gestische Malerei verweisen, sondern auch Haare, Kaugummis und Tabletten. Fast scheint es, das Werk bildete den Atelierboden ab.
Großen Raum nimmt in der Gruppenschau überhaupt die Monochromie ein. Und auch hier schärft die Verwandtschaft der Ansätze den Blick. Selbst auf den ersten: so strahlen Rudolf de Crignis’ blaue Bilder eine ätherische Materialvergessenheit aus, während Christian F. Kintz‘ satte pastellfarbene Formate an die Flächen alter Kücheneinrichtungen erinnern. Und auf den zweiten Blick zeigt sich, dass auch Kintz’ Bilder von komplexem Aufbau sind. Am Rand hat die Rakel die Schichten freigelegt, auf denen das Bild gebaut ist. Was den Eindruck von Monochromie erweckt hat, stellt sich als vieltonige Gesamtkonzeption heraus. Und auch Rudolf de Crignis’ Bilder setzen sich aus unzähligen Lasuren zusammen, die sich zum Gesamtton verdichten – ein Ton jedoch, der vom Auge kaum erfasst werden kann, je mehr Schichten –je mehr Farbe und Zeit – das Bild ausmacht. Zwischen Bildträger und Farbe hat dann doch mehr Platz als man denkt.
Malerei #11. Ungegenständlich heute. Kunstraum Alexander Bürkle. Robert-Bunsen-Str. 5, Freiburg. Öffnungszeiten: di-fr 13-17 Uhr, so 11-17 Uhr. Bis 18. September.
Annette Hoffmann