Kinder des Ardenner Waldes

Das Ensemble „Harry, hol schon mal den Wagen!“ spielt Shakespeares „Wie es euch gefällt“

Das Ensemble "Harry, hol schon mal den Wagen"

In Wirklichkeit könnte der Ardenner Wald wohl nur enttäuschen. Denn in Shakespeares Komödie „Wie es euch gefällt“ ist dieser Landstrich ein großer Abenteuerspielplatz, auf dem Geschlechtergrenzen und Hierarchien aufgehoben scheinen, Löwe und Schlange zuhause sind und den Bäumen Liebesgedichte wachsen.

Dabei hat alles seinen Grund in menschlichen Schwächen. Oliver missgönnt seinem jüngeren Bruder Orlando den Stand, der ihm eigentlich gebührte und enthält ihm eine adelige Erziehung vor. Nicht grün sind einander auch der Herzog und sein Bruder Friedrich, der die Herrschaft an sich gerissen hat. Fast ein Wunder, dass deren Töchter Rosalinde und Celia einander so nahe sind, dass sie gegenseitig für einander einstehen und die eine der anderen ins Exil in den Ardenner Wald folgt. Selbstredend ist es an der Liebe alles erst noch mehr in Verwirrung zu setzen, um am Ende die schönste Ordnung herzustellen. Doch es braucht, wenn nicht eine Johannisnacht, so eben doch den Wald, die schönere Natur des Menschen hervorzulocken.
Das Ensemble „Harry, hol schon mal den Wagen!“ hat nun Shakespeares wohl bezauberndstes Verwirrspiel „Wie es euch gefällt“ für den Innenhof der Spechtpassage und fünf Schauspielerinnen und Schauspieler eingerichtet. Man spielt auf der kleinen und von allen Requisiten freien Bühne, ein Blatt Papier, auf dem „Schloss“ oder eben „Wald“ steht, kündigt den Ort an. Weniger reduziert gibt sich Barbara Zimmermanns Inszenierung bei den Kostümen. Viel Spitze umsäumen die Ausschnitte, die Röcke von Rosalinde und Celia leuchten rosa und türkis und auch die Kleidung der Männer nimmt sich historisch aus. Alles andere ist Spiel und Sprache. Eine Sprache, die bei den Wortgefechten von Rosalinde (Fabienne Trüssel) und Celia (Rahel Wölfle) derart an Fahrt gewinnt, dass man die beiden jungen Schauspielerinnen fast bremsen möchte. Nicht, dass die beiden – die das eigentliche Zentrum dieser Inszenierung bilden – nicht souverän mit dem Text umgehen würden, doch der Shakespearesche Witz, all die Feinheiten und Doppeldeutigkeiten bräuchten oft ein wenig mehr Ruhe. Auch um den Unsicherheiten dieser Liebe zwischen Rosalinde und Orlando (Julien E. Lickert) mehr Bedeutung einzuräumen, die sich nur einmal wirklich begegnet sind. Allein die unglückliche Liebe des Schäfers Silvius (Björn Zielinski) zur undankbaren Phoebe (Rahel Wölfle) wirft ein anderes Licht auf die Liebe zwischen den beiden Herzogskindern.
Regisseurin Barbara Zimmermann hat sich sichtlich für die Komödie entschieden. Auch dies funktioniert. Nicht zuletzt, da sich vor allem Martin Mayer als sehr facettenreich erweist. Mayer übernimmt so die Rollen des Oliver, des Narren Probsteins und des vertriebenen Herzogs, den er wie Jürgen Drews über Malle herrschen lässt. Und das ist vielleicht nicht das schlechteste Bild für das Wesen von Macht. Ein Fall für Narren oder Verliebte.
Annette Hoffman

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