„John Gabriel Borkman“ von Henrik Ibsen im Theater Basel

Hohe Schauspielkunst im Theater Basel

Wie lange es schon schneit, wird keiner sagen können. Ein dichter weißer Teppich liegt auf der Großen Bühne des Theater Basel. Und es wird im Verlauf von Simon Stones zweistündiger Inszenierung noch weiter schneien. Die weiße Pracht dämpft den Schmerz nur um ein weniges. Und dies obwohl Stone, den Intendant Andreas Beck als Hausregisseur an das Theater Basel geholt hat, eine Version von „John Gabriel Borkman“ erarbeitet hat, die es zum Boulevard zieht. Die Diskrepanz zwischen Hybris und Albernheit macht ihren Witz aus. Verhärmt ist hier kaum jemand, eher verkommen.

„John Gabriel Borkman“ von Henrik Ibsen im Theater Basel
Martin Wuttke (John G. Borkman) und Birgit Minichmayr (Gunhild Borkman)
Foto: Reinhard Maximilian Werner

Birgit Minichmayr ist als Gunhild Borkman sehr viel blauer Augenaufschlag und sehr viel großer Mund. Das hauchdünne Seidenkleid ist ein Relikt aus besseren Zeiten als die Selbstachtung es noch nicht zuließ, ganze Tage über dem Alkohol zu vertun. Simon Stones Ibsen-Inszenierung ist eine Koproduktion des Theater Basel mit dem Burgtheater und den Wiener Festwochen, die im Mai letzten Jahres Premiere hatte. Das erklärt die hohe Dichte an Stars in dieser Produktion. Drei Nestroy-Theaterpreise gingen 2015 an „John Gabriel Borkman“, an Martin Wuttke für die Hauptrolle, an Roland Koch für die Nebenrolle des Freundes Wilhelm Foldal und an die Regie.

Eine solche Besetzung ist auch in Basel nicht alltäglich. Man kann also einfach herausragenden Schauspielern bei ihrer Arbeit zusehen. Und das mit großem Genuss. Simon Stones „John Gabriel Borkman“ ist ein Melodram der Gegenwart, direkt aus den Klatschblättern. Borkman hat sich verspekuliert, Gunhild Borkman und ihre Schwester waren als die Rentheim-Zwillinge einmal It-Girls. Dann verschacherte Borkman seine Geliebte Ella an seinen Freund Hinkel und heiratet die Schwester Gunhild. Doch Ella wollte Hinkel nicht und dieser rächte sich an Borkman und ließ dessen Betrug auffliegen. Alles platzte. Seitdem sind acht Jahre vergangen und nichts ist gut. Das Ehepaar ignoriert sich, jeder bewohnt einen Stock des Hauses, das eigentlich Ella gehört, die sich auch um den Sohn der beiden kümmerte.

Jetzt ist Ella todkrank. Während ihre Schwester nach einer halben Flasche Gin sentimental genug ist, sich selbst zu googeln, hat Ella ihr Leben in die Hand genommen, Caroline Peters wirkt ein bisschen fremd in ihrem eigenen Haus, sehr aufrecht, sehr zart und mit ernsthafter Empörung als sie realisiert, dass ihr Freund sie damals derart fallen ließ. Auch wenn sie mit dem langen rotblonden Haar und dem fließenden Kleid wie eine Erfindung der Präraffaeliten aussieht, ist sie doch eher resoluter Natur. Martin Wuttkes Borkman tigert als alt gewordener Rockstars mit strähnigem Haar durch das Haus, dem versehentlich seine Groupies abhandengekommen sind und jetzt in der Einsamkeit an einem wenig erfolgversprechenden Revival spinnt. Er ist ein Zocker, unabhängig davon, ob er mit Geld oder Gefühlen spielt. Das Thema der Finanzspekulation vernachlässigt der Regisseur hingegen.

Simon Stone führt hier Darsteller ihrer selbst vor, die nicht verstehen, dass ihre Zeit längst vergangen ist und diese nicht einmal groß war. Vor allem das Paar Gunhild und John Gabriel ist dabei mit einer großen Portion Selbstüberschätzung ausgestattet. Stone privatisiert den Betrug, der dann auch zu einer Auseinandersetzung der Generationen wird. Denn Erhart Borkman (Max Rothbart) wird sich diesem Familienkonflikt durch die Liebe zu einer älteren Frau entziehen. Er will ins Leben, die Antwort seines Vaters, dass das Sterben seiner Tante und die Trunksucht seiner Mutter sehr wohl das Leben sei, gehört zu den absurd-komischen Momenten der Inszenierung. Und überhaupt liegt der Humor des Abends darin, dass man über etwas lacht, was im gleichen Moment schon sehr bitter ist. Hohe Schauspielkunst.

Weitere Vorstellungen: 2./6./ 23. März, Theater Basel.

Annette Hoffmann

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