Experimentierfeld für Künstler

Im Gespräch: Caroline Käding, Leiterin des Kunstvereins Freiburg.
Ihre Vorgängerin, Felicity Lunn, kündigte vorzeitig, da sie befürchtete, dass mit einem derart reduzierten Etat, wie er im Doppelhaushalt 2007/8 beschlossen wurde, der Kunstverein Freiburg zu einem „Provinzverein“ werden würde. Provinziell wirkt das Programm von Caroline Käding nicht, die seit dem 1. Oktober 2008 den Kunstverein Freiburg leitet. Am 27. März wird ihre erste Ausstellung „Nothing to say and I am saying it“ eröffnet, in der Werke der Künstler Markus Amm, Karla Black, Marieta Chirulescu, Ned Vena sowie Cerith Wyn Evans zu sehen sein werden. Caroline Käding, die in Erlangen und Berlin Kunstgeschichte studiert hat, arbeitete bereits für die Galerie Max Hetzler und den Sammler Heiner Bastian in Berlin, zuletzt war sie Kuratorin an der Kestnergesellschaft in Hannover, wo sie für Ausstellung mit Franz Ackermann, Bettina Rheims und Erik Bulatov, aber auch für die Schau „Made in Germany“ und „Back to Black“ verantwortlich war. Mit Caroline Käding sprach Annette Hoffmann über ihr Jahresprogramm, die Verortung des Freiburger Kunstvereins in der Stadt und über Kulturarbeit in Zeiten enger finanzieller Rahmenbedingungen.

Im Gespräch: Caroline Käding, Leiterin des Kunstvereins Freiburg
Im Gespräch: Caroline Käding, Leiterin des Kunstvereins Freiburg

Kultur Joker: In diesem Monat kann man im Kunstverein Freiburg gleich zwei Ausstellungen sehen: das sehr verspielte Turnhallen-Environment der jungen britischen Künstlerin Anthea Hamilton und ihre erste eigene für den Kunstverein Freiburg kuratierte Gruppenausstellung „Nothing to say and I am saying it“. Frau Käding, Sie werden dort nach Namen wie Karla Black oder Cerith Wyn Evans zu urteilen, eher minimalistische Positionen zeigen. Was wird konkret zu sehen sein?

Caroline Käding: „Nothing to say but I am saying it“ wird eine Ausstellung sein, in der Skulpturen, Malerei, Filme und Fotografien gezeigt werden. Es sind eigentlich keine minimalistischen Positionen, der Minimalismus ist vielmehr als Hintergrund ein wichtiger Aspekt für die Arbeiten. Künstler, die vor einigen Jahren noch einen eher formalistischen Ansatz hatten und geometrische Positionen entwickelt haben, tendieren jetzt zu offeneren Bildräumen. Von Karla Black wird eine Skulptur zu sehen sein, die eigentlich ein Papier ist, das von der Decke hängt. Die zweite Arbeit von ihr ist eine Skulptur aus Plastiktüten, die bepudert sind und Farbpigmente aufweisen. Und doch ist diese Arbeit ganz körperlich und hängt wie eine illusionistische barocke Wolke im Raum. Ihre Arbeiten haben etwas Abstraktes und doch sind in Form von Nagellack- und Lippenstiftspuren Ansätze von Narration eingeschrieben, die nicht auf Anhieb zu sehen sind. Eine wichtige Arbeit der Ausstellung ist der 35mm-Film von Cerith Wyn Evans „Take my eyes and throw them to you“. Man schaut auf eine schwarze Fläche, auf der viele Kratzer sind, die sich vermeintlich zu einem Bild zusammensetzen. Sie entstehen durch das mechanische Abreiben des Filmmaterials. Im Prinzip löst sich der Film beim Projizieren mehr und mehr auf. Insgesamt würde ich „Nothing to say and I am saying it“ als eine eher didaktische Ausstellung bezeichnen.

Kultur Joker: Inwiefern?

Käding: Weil der Ansatz ein historischer ist. Man könnte sich gut ein Werk aus Gerhard Richters grauer Serie in dieser Ausstellung vorstellen. In den 1970er Jahren fing er damit an, Ausdruckslosigkeit und Inhaltslosigkeit in Farbe zu übersetzen. Geht man kunsthistorisch noch einen weiteren Schritt zurück, muss man Mark Rothko nennen, der mit seinen letzten Bildern von 1969 einen dunklen Raum geschaffen hat, dem durch einen weißen Strich ein Horizont, eine gewisse Räumlichkeit vorgegeben ist, die nicht mehr benennbar ist. Das Interessante an der zeitgenössischen Kunst ist, dass die jüngere Generation diesen Aspekt wieder aufnimmt. Markus Amm etwa, ein deutscher Künstler, hat noch vor ein paar Jahre streng formalistische Bilder und Skulpturen geschaffen. Die Bilder seiner letzten Einzelausstellung sind jedoch von einer gewissen Tiefenräumlichkeit bestimmt, in der sich nichts mehr entdecken, aber viel assoziieren lässt.

Kultur Joker: Wenn Sie didaktisch sagen, haben Sie sicherlich ein Rahmenprogramm geplant.

Käding: Über die üblichen Führungen hinaus bin ich derzeit mit Hochschule für Musik in Freiburg für einen Konzert­abend in Verbindung. Der Ausstellungstitel ist ja ein Zitat von John Cage, und auch Morton Feldman hat zum Beispiel mit einem solchen Klangraum gearbeitet.

Kultur Joker: Ayse Erkmen, die Sie in einer Einzelausstellung im Sommer zeigen werden, wird sicherlich mit dem Raum arbeiten, oder?

Käding: Ayse Erkmen hat neulich Freiburg besucht und sich nicht nur den Kunstverein, sondern auch das Kinder- und Jugendtheater im Marienbad angesehen. Sie hat sich lange in den Räumen des Kunstvereins aufgehalten und ich warte jetzt auf ihren Ausstellungsvorschlag. Für die übernächste Ausstellung ist die Finanzierung noch nicht gesichert. Ich würde gerne Gabriel Kuri zeigen, ein Mexikaner, der in Brüssel lebt. Es wäre seine erste Einzelausstellung in einer Institution. Für die letzte Berlin Biennale hatte er in der Neuen Nationalgalerie eine große Skulpturengruppe geschaffen, die auch als Garderobe fungierte. Wir stehen in Kontakt, ich kann aber nur dann eine Ausstellung mit ihm realisieren, wenn sich die Landesstiftung Mexiko beteiligt. Alleine können wir eine solche Ausstellung nicht stemmen. Es gibt jedoch auch noch die Idee für eine andere Ausstellung, die wir stattdessen zeigen können.

Kultur Joker: Das klingt, als ob Ihr hauptsächliches Interessengebiet auf konzeptueller Kunst liegt. Ist das so?

Käding: Das würde ich so nicht sagen. In „Nothing to say but I am saying it“ geht es mir genauso um Malerei und Skulptur. Ich interessiere mich für konzeptuelle Kunst, würde aber auch gern eine Videoausstellung zeigen. Nur, dafür reicht das Budget nicht. Und meine Vorbereitungszeit war nicht so lange, dass ich für mein Ausstellungsprogramm die Medien ausgewogen wählen konnte.

Kultur Joker: Begonnen haben Sie die Leitung des Freiburger Kunstvereins mit der Regionale. Haben Sie sich andere Kunstinstitutionen im Dreiländereck angesehen?

Käding: Das war für mich ein guter und anregender Einstieg. Überhaupt halte ich die Regionale für ein spannendes Ausstellungsprojekt und freue mich schon darauf, in diesem Jahr die Auswahl selbst zu treffen. Von den 44 Künstlern, die im Kunstverein Freiburg ausgestellt haben und die noch Felicity Lunn und Regina Herr ausgewählt haben, kannte ich niemanden, fand aber einige Arbeiten darunter richtig gut. Einige Künstlernamen möchte ich auch weiterverfolgen. Ich bin nach Basel gefahren und habe mir die Regionale in der Kunsthalle Basel und im Ausstellungsraum Klingental angesehen. Das Format in der Kunsthalle (dort wurden auf Initiative des Ausstellungsraum Klingental alle abgelehnten Werke gezeigt, Anm. d. Red.) war als Politikum ganz interessant, um die Ausstellungsform zu hinterfragen, für das einzelne Werk war es sehr problematisch, da es sich nicht entfalten konnte. Letztlich sind die Kuratoren des Ausstellungsraum Klingental und der Kunsthalle Basel vom gleichen Material ausgegangen und ich hatte den Eindruck, dass die Regionale im Ausstellungsraum Klingental sehr geschickt kuratiert war. Die Künstler haben mit dem Raum gearbeitet und auf dessen Begebenheiten reagiert.

Kultur Joker: Ab einer gewissen Größe stehen die Kunstvereine unter dem inneren Widerspruch, sich in der jeweiligen Stadt verorten zu müssen und sich gleichzeitig international ausrichten zu wollen und zu müssen. Planen Sie Ausstellungen mit regionalen Künstlern?

Käding: Als die hauptsächliche Ausstellung für regionale Künstler sehe ich die Regionale. Freiburg hat zudem den Vorteil, da es mit dem Kunsthaus L6 über einen städtischen Ausstellungsort verfügt, dessen ausdrücklicher Auftrag es ist, im Schwerpunkt regionale Kunst zu zeigen. Ich möchte aber nicht ausschließen Künstler, die hier leben zu zeigen. Um Namen zu nennen, reichen die vier Monate, die ich hier bin, aber noch nicht aus. Ich bin gerade erst dabei, mir Ateliers anzusehen.

Kultur Joker: Bevor Sie nach Freiburg gekommen sind, haben Sie in Berlin für den Sammler Heiner Bastian und für Galerien gearbeitet. Zuletzt waren Sie Kuratorin bei der Kestnergesellschaft in Hannover. Im Vergleich dazu befindet sich der Kunstverein Freiburg am geographischen Rand der deutschen Kunstszene und er ist finanziell spätestens nach den Kürzungen im Doppelhaushalt 2007/8 schlecht ausgestattet. War es ein Schock für Sie, hier ganz andere Arbeitsbedingungen vorzufinden?

Käding: Nein, ein Schock nicht. Aber mein Denken ist schon durch meine bisherigen Tätigkeiten bestimmt. Ich wusste von Anfang an, dass der Kunstverein Freiburg nicht mit der Kestnergesellschaft zu vergleichen ist, die über einen Jahresetat von 1,8 Millionen Euro verfügen und sich fragen kann, welchen der Top-Ten-Künstler man sich leisten kann. Aber ich wusste auch, dass im Kunstverein Freiburg viele bekannte Künstler, wie Nader Ahriman ihre erste große Einzelausstellung hatte. Die Halle kann ein Experimentierfeld für Künstler sein. Natürlich macht es einen Unterschied, wenn man mit der konkreten Situation befasst ist. Ich habe bestimmte Vorstellungen und möchte bestimmte Dinge realisieren. Ich versuche so nahe wie möglich an diese Vorstellungen zu kommen. Die Rahmenbedingungen geben mir jedoch vor, was sich hier umsetzen lässt.

Kultur Joker: Im Herbst bewilligte der Freiburger Gemeinderat Etaterhöhungen für verschiedene Kultureinrichtungen. Hatten Sie und der Vorstand sich überlegt, einen Antrag zu stellen, dass die Kürzungen zurückgenommen werden?

Käding: Nein, es wurde nicht in Erwägung gezogen. Ich bin ja erst seit dem 1. Oktober 2008 hier. Unsere finanzielle Situation hat sich nicht geändert. In der letzten Mitgliederversammlung haben wir in Reaktion darauf beschlossen, ab der nächsten Ausstellung Eintrittsgelder zu erheben. Der normale Eintritt soll bei 2 Euro, er ermäßigte bei 1,50 Euro liegen, donnerstags ist der Besuch gratis und für Mitglieder ist er ja sowieso frei. Wir werden mit der Erhebung der Eintrittsgelder die Möglichkeit haben, beim Museums-Pass mitzumachen. Ich verspreche mir dadurch eine größere Außenwirkung. Wir haben keinen Etat für Öffentlichkeitsarbeit, für Werbemittel wie Poster. Darüber hinaus gründen wir einen Förderkreis, den Circle. Dabei handelt es sich um eine erweiterte Mitgliedschaft, mit der sich unsere Mitglieder noch mehr für den Kunstverein engagieren können und so auch die Kunst in Freiburg voranzubringen.

Kultur Joker: Derzeit suchen Sie Studierende unterschiedlicher Fächer als Praktikanten. Das klingt, als ob Sie die Einrichtung des interdisziplinären Praktikantenteams des „Labors“ an der Kestnergesellschaft nach Freiburg übertragen.

Käding: Genau das habe ich vor. Dort hatten wir zwischen 9 und 15 Laboranten. Wir sind hier ja nur zu zweit und aufgrund dessen ist es sehr schwierig, professionell zu arbeiten. Wir kommen mit der Arbeit nicht hinterher, daher kam dann die Überlegung durch ein Praktikantenteam die Womanpower aufzustocken. Demnächst werden hier zwei Praktikanten arbeiten. Ich würde das Team gerne weiter ausbauen und würde mich freuen, wenn sich Grafik- oder Marketingstudenten oder jemand, der später in die Öffentlichkeitsarbeit gehen will, bewirbt. Der Wunsch nach einem Praktikantenteam ist aus der Not heraus geboren, aber natürlich sehe ich es auch als Verpflichtung, junge Leute einzubinden.

Kultur Joker: Welches Konzept haben Sie für den kleinen Raum im vorderen Bereich des Kunstvereins?

Käding: Ich möchte den Raum erst einmal neutral belassen. Ich finde es wichtig, einen Dokumentationsraum zu haben, in dem wir auch unsere Publikationen zeigen können. Aber auch unsere Grafiken und Auflagenobjekte. Im Kunstverein gibt es Jahresgaben, die sich seit Jahren in unserem Haus befinden und die die Mitglieder, die sie kaufen könnten, nicht sehen. Ich möchte aus diesem Raum einen Ort machen, an dem man sich trifft.

Kultur Joker: Frau Käding, vielen Dank für das Gespräch.

Annette Hoffmann