In Minia Biabianys Ausstellung im Kunstverein Freiburg spiegeln sich kolonialistische Strukturen

Worte sind Wind – „Pawòl sé van“ heißt ein 2020 entstandenes Video von Minia Biabiany. Auf Kreolisch, Französisch und Englisch hat die 1988 auf Guadeloupe geborene Biabiany einen poetischen Text geschaffen, in dem alles anklingt, was im Kunstverein Freiburg eine sichtbare Entsprechung findet. Auch der Titel der Ausstellung „Ich habe den Schmetterling in meinem Ohr getötet“ ist eine Zeile dieses Langgedichts. Die Künstlerin lässt zuerst den Wind aufkommen, Worte suchen und den Rhythmus finden. Während man zusieht, wie ein Mann ein Messer schärft, die Scheide in Blätterstreifen einwickelt, sein Gesicht in Wasser taucht, ein großes Schneckenhaus ans Ohr hält und immer wieder die üppige Vegetation der Insel gezeigt wird, lassen die Sätze mal gesprochen, mal als Lauftext, eine Landschaft aufscheinen, die Raum und Zeit zugleich ist. Man kann die Geschichte an den Pflanzen ablesen. Das Zuckerrohr, das sich im Wind wiegt, kam durch die spanische Eroberung im 16. Jahrhundert nach Guadeloupe und da der Plantagenanbau aufwändig war, mit ihm die Sklaven. Schlimmer noch ist der Anbau von Bananen, der koloniale Strukturen fortsetzt und zu einer Umweltkatastrophe geführt hat.
Die ist eine zeitgenössische Geschichte. Noch immer ist Guadeloupe französisch. Waren es im 19. Jahrhundert Infektionskrankheiten, mit denen die Kolonialmächte den Tod in ihre Kolonien brachten, so ist es im 21. Jahrhundert der Krebs, hervorgerufen durch das Pestizid Kepone. Auf Guadeloupe und Martinique fand es auf den Bananenplantagen auch dann noch Verwendung als es schon Jahrzehnte zuvor in den USA verboten war und später auch in Frankreich. Emanuel Macron sprach von einem Umweltskandal. Während die Bananen durch ihre Schale vor dem Gift geschützt sind, wurden die Böden, die Flüsse und Küstengewässer in Guadeloupe verseucht. Und dies für Jahrhunderte. Weltweit gibt es hier die meisten Prostatakrebsfälle und viele Missbildungen bei Neugeborenen. Minia Biabiany erzählt in ihrer Ausstellung von den kolonialistischen Beschädigungen, Erniedrigungen, abgebrochenen Traditionen und verlorenem Wissen. Alles ist mit allem verbunden. Die geflochtenen Fischreusen werfen auf dem Boden einen Schatten aus Erde, die zu Mustern angehäuft ist. Man muss sich durch diese Ausstellung, in der Rauten zweierlei Maßstabs aneinandergereiht sind, einen Weg bahnen, zugleich sollte man die Schnüre von Glassteinen im Auge behalten, die mit farbigem Wachs überzogen sind. Biabiany jedenfalls hat einen Blick für den Raum, in dem ihre Arbeiten durch Horizontalen und Vertikalen ein Muster zeichnen.
Minia Biabiany selbst spricht von einem Verwobensein, in dem sie eine Nähe zu narrativen Strukturen erkennt – so wie sie auch aus einer Arbeit die nächste entwickelt. Visuell bilden die Paravents mit den geknüpften Strängen eine Vertikale zur Erde am Boden, die wiederum eine Entsprechung findet in den angekogelten Weidenkörben, die eine Anspielung auf die Schiffe sind, mit denen Sklaven deportiert wurden. Doch auch der Sound überlagert sich. Auf den Paravents und auch auf dem Boden liegen Meeresschnecken, die mit Wachs überzogen sind. Sie dienten nicht nur als Musikinstrumente, sondern warnten auch vor Katastrophen oder riefen entflohene Sklaven zu Konspiration auf. Im Kunstverein Freiburg hört man die Melodien, die Feuer, Rebellion und Tod bedeuteten, in den Pausen dazwischen ist die Tonspur des Videos zu hören. Selten wird derart poetisch die Zusammenhänge von Politik und Ökologie erzählt. Minia Biabiany selbst hat den Transport ihrer Ausstellung auf einen Koffer beschränkt.

Minia Biabiany, „Ich habe den Schmetterling in meinem Ohr getötet“, Kunstverein Freiburg, Dreisamstr. 21, Freiburg. www.kunstvereinfreiburg.de
Dienstag bis Sonntag 12 bis 18 Uhr, Donnerstag 12 bis 20 Uhr. Bis 8. August.

Bildquellen

  • In der Ausstellung von Minia Biabiany im Kunstverein hört man die Melodie, die Feuer, Rebellion und Tod bedeuten.: Foto: Kunstverein Freiburg