In der Höhle der Finanzwelt

Im Theater Basel inszeniert Volker Lösch die Uraufführung von „Angst“ nach dem Thriller von Robert Harris

Paul Grill und Jan Viethen Foto: Judith Schlosser

Romane oder auch Theaterstücke, die in der Finanzwelt spielen, rufen oft den genauso-habe ich-mir-das-immer-schon-vorgestellt-Effekt hervor. Genauso meint dann immer, genauso atavistisch, genauso verantwortungslos und dumm. Volker Löschs Inszenierung von Robert Harris’ Thriller „Angst“ für das Theater Basel macht da keine Ausnahme. Steht doch im Mittelpunkt dieser knapp zweistündigen Vorstellung der Algorithmus Vixal-4, der sich das zuverlässigste aller menschlichen Gefühle zu Nutze macht: die Angst. Und ein wenig ist dieser Algorithmus, der das Finanzgebaren dieses Genfer Hedgefonds bestimmt, eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Die Art, wie Vixal-4 Geschäfte betreibt und sogar den Flugzeugunfall einer Airline vorauszusagen weiß, hat etwas Unheimliches und macht durchaus Angst. Der Mensch hat längst die Kontrolle über die Maschine verloren. Harris ließ sich für seinen Roman durch den sogenannten Flash-Crash vor zwei Jahren inspirieren, an einem Tag wurden damals 4,1 Milliarden Dollar erzielt.

Im Theater Basel schaut der Zuschauer in die Höhlenwelt seiner Vorfahren. Schweres Geröll ist vor der Bühnenkante aufgeworfen, die Schauspieler tragen langes strähniges Haar, fusselige Bärte und Fell (Kostüme: Carola Reuther). Dies und das ständige Kratzen des Pelzes hindert sie nicht, unentwegt metallisch glänzende Laptops zu bearbeiten und damit Transaktionen auszulösen, die an den Bildschirmen ringsum an den Wänden ihre Spuren hinterlassen (Bühne: Sarah Rossberg). Zwischen der Sofalandschaft auf der Bühne des Schauspielhauses sieht man choreografiertes Horden- und Herdenverhalten. Lösch, der vor allem durch eine Erneuerung des Chores bekannt geworden ist, verbindet das grobe Handlungsgerüst des Thrillers mit Inneneinsichten aus dem „Basler Teig“, die immer von mehreren Darstellern gesprochen werden. Das unterbindet, dass man allzu familiär mit dem Romanpersonal wird. Und mit wem auch? Mit Alexander Hoffmann (Paul Grill), der wegen eines Nervenzusammenbruchs seinen Job beim Cern verloren hat und danach ohne Skrupel in die Finanzbranche wechselte – mehr aus Interesse, seine Forschungen dort fortzuführen, denn aus wirklicher Passion. Mit Quarry (Jan Viethen), sein Kompagnon, dem es vor allem an einer guten Performance gelegen ist? Wohl kaum. Und auch nicht mit Hoffmanns Ehefrau Gabriele (Judith Strössenreuther), die ihre Kinderlosigkeit in geschmacklose Kunst ummünzt und später jedem, der es nicht will, ihre signierte Biografie in die Hand drücken wird. Bettina Wulff gibt hier die Patin.
Volker Löschs „Angst“ ist ein Zwitter. Weder verfolgt die Regie konsequent die Interview-Chöre noch den Plot von Harris’ 2011 erschienenen Roman. Und so fällt es schwer, die Handlung um den labilen Hoffmann, der mehr und mehr das Opfer einer von ihm selbst initiierten Verschwörung zu werden scheint, zu verfolgen. Zumal der Roman und auch die Inszenierung mit Inspektor Leclerc (Andrea Bettini) bereits über eine Figur verfügen, die die Welt der Finanzhaie und Investoren zu brechen weiß. Dass er der einzige ist, der Schweizerdeutsch spricht – sieht man von den eingefügten Interviews ab – und zumal von konkreten Abstiegsängsten geplagt wird, lässt das Gefüge in merkwürdige Schieflage geraten. So als ob der Finanzplatz Genf so gar nichts mit der Schweizer Wirklichkeit zu tun hätte. Das hat mitunter etwas von Vorführeffekt, aber wir haben es ja sowieso geahnt.
Weitere Vorstellungen: 13./ 25. und 28. Februar, jeweils 20 Uhr, Schauspielhaus, Theater Basel.
Annette Hoffmann