Im Gespräch: Dr. Julian Genner zum Thema „Preppen“ als historisches wie aktuelles Phänomen

Die Krise ist da und eines ihrer ersten Bilder war das von leeren Supermarktregalen. Von „Hamsterkäufen“ ist die Rede, aber auch von „Preppern“, Menschen, die in ständiger Wachsamkeit vor dem zivilisatorischen Umbruch leben und zur Vorbereitung Dinge und Kenntnisse häufen. Dr. Julian Genner forscht und lehrt seit 2018 am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Universität Freiburg. Er befasst sich mit dem Spannungsverhältnis von Preppen zwischen Rechtsextremismus und Massenkultur im Kontext der Gegenwartsgesellschaft. Fabian Lutz hat mit ihm über die Hintergründe und Entwicklungen eines ungewöhnlichen Lebensstils gesprochen.

UNIversalis: In welchem historischen Kontext entstand das Phänomen „Preppen“?

Julian Genner: Das Vorbereiten auf Krisen etablierte sich im Verlauf der 1970er-Jahre in den USA als eigenständiger Lebensstil. „Preppen“ – oder „Survivalism“, wie es damals hieß – entstand auch als konservative Gegenbewegung zu den Bürgerrechtsbewegungen und 68er-Protesten. Die Angst vor einer Revolution von linker Seite war ein wichtiger Impuls. Das Phänomen entstand im Dunstkreis rechtsextremer und libertärer Bewegungen. Eine schillernde Figur dieser Anfangszeit ist Kurt Saxon, der zeitweise auch Mitglied der „American Nazi Party“ war und Handbücher zum Bombenbau im Selbstverlag veröffentlichte.

Dr. Julian Genner

UNIversalis: Auf welche Weise bereiten sich Menschen beim Preppen vor?

Julian Genner: Die Vorbereitungen umfassen verschiedene Dimensionen: Zum einen geht es um Vorräte und Ausrüstung, also Lebensmittel, Hygieneartikel, Medikamente, Akkus, Kerzen und andere Gegenstände für den alltäglichen Gebrauch. Je nachdem kommen auch ökonomische Anlagestrategien hinzu, etwa der Kauf von Gold. Der eigene Garten kann auch Teil der Krisenvorsorge werden und die Sicherung des Grundstücks ebenfalls. Für den Fall, dass sich eine Krise nicht zuhause aussitzen lässt, haben die meisten Prepper Fluchtrucksäcke, die eine schnelle Flucht mit dem Nötigsten ermöglichen sollen. Diese Rucksäcke stehen oftmals fertig gepackt bereit und enthalten Isomatte, Zelt, Wasserfilter, Messer, Taschenapotheke, Nahrungsmittel, Feuerstahl und dergleichen mehr. Im Alltag tragen die meisten meiner Gesprächspartner auch ein kleines Survival-Kit bei sich, für den Fall, dass Rucksack und Vorräte außer Reichweite sind.

UNIversalis: Geht es beim Preppen auch um immaterielle Vorbereitungen?

Julian Genner: Beim Preppen geht es nicht nur um das Anhäufen von Material. Die beste Ausrüstung hilft nichts, wenn man nicht damit umgehen kann. Daher trainieren Prepper die Krisenszenarien und eignen sich Fähigkeiten an. Ein wesentliches Ziel der Vorbereitungen ist es, das Gefühl zu bekommen, jeder Situation gewachsen zu sein. Preppen ist in dem Sinne auch eine Lebenseinstellung.

UNIversalis: Sind Verbindungen zu Verschwörungstheoretikern wie Reichsbürgern bei Preppern überdurchschnittlich oft vorhanden?

Julian Genner: Auch wenn es heute viele Prepper gibt, die Extremismus ablehnen, bleibt das Phänomen anschlussfähig. Preppen lebt ein Stück weit von der Idee, dass der Staat eine Krise nicht abwenden oder bewältigen kann. Dieses Misstrauen lässt sich mit Verschwörungstheorien aller Art unterfüttern und zusätzlich steigern.

UNIversalis: Herr Genner, wir bedanken uns für das Gespräch!

Bildquellen

  • : Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
  • Preppen als Lebenseinstellung: Promo