Ikone feministischer Kunst: „Valie Export. Fragmente einer Berührung“ in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden

Valie Export, Body Sign Action, 1970, s/w Fotografie,
Copyright: Valie Export, VG Bild-Kunst, Bonn 2020, Courtesy Valie Export

Im Halbdunkel tauchen Glühbirnen in durchsichtige Behälter mit Flüssigkeit ein, gemächlich tauchen sie wieder auf, und wieder ein. Es ist schon fast meditativ, diese Installation zu betrachten, obwohl sie ganz anders gemeint ist. „Fragmente der Bilder einer Berührung“ hat die Künstlerin Valie Export ihre 1994 geschaffene raumfüllende Installation genannt. Die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden hat ihre Retrospektive zum 80. Geburtstag Valie Exports danach benannt: „Fragmente einer Berührung“ zeigt eine kleine, aber feine Auswahl von Installationen, Videos und Fotografien aus verschiedenen Schaffensperioden der österreichischen Künstlerin.
Man könnte leider auch von „Fragmenten einer Ausstellung“ sprechen, denn kaum wurde sie am 30. Oktober eröffnet, musste sie auch, wie alle anderen Ausstellungen, wegen Corona den November über schließen. Dabei stehen die Kinosessel vorbildlich vereinzelt, in ausreichendem Sicherheitsabstand, in dem Raum, der den vier ausgewählten Videos gewidmet ist, die Valie Export zwischen 1977 und 1986 gedreht hat. So könnte man in aller Ruhe zum Beispiel „Unsichtbare Gegner“ anschauen. Export lässt diesen Film wie einen Sci-Fi-Thriller beginnen, um dann der Protagonistin Anna bei ihren Recherchen zu folgen, die sich bald um gesellschaftliche Konflikte drehen.
Bis heute legendär ist Valie Exports künstlerischer Beitrag zur sexuellen Revolution. 1968 lud sie, mitten auf einem belebten Platz, alle Passanten ein, ihre Brüste zu berühren. Nicht einfach so, natürlich. Ein vorgeschnallter Karton mit zwei Öffnungen für die Hände stellte sozusagen den Kinosaal dar für Exports „TAPP und TASTKINO“. Sie ließ ihre Aktion filmen, und die gefilmten Reaktionen der Menschen damals sind bis heute spannend zu sehen. Export hat sich damit ihren bleibenden Ruf als feministische Künstlerin erworben.

Valie Export, Fragmente der Bilder einer Berührung, 1994; Ausstellung „Valie Export: Archiv“, Kunsthaus Bregenz, 2011, Foto: Markus Trettner
Copyright: Valie Export, VG Bild-Kunst, Bonn 2020, Courtesy Valie Export

Ihren Körper setzte die Künstlerin gern als Mittel für ihre Kunst ein. In der Fotoserie „Körperkonfigurationen“ (1972-1976) zeichnete Valie Export mit ihrem Körper architektonische Formen oder auch einfach eine Kurve nach. Aber so ganz will sich ihr Körper nicht in die Architektur einpassen – für die Künstlerin ein klares Zeichen, dass die weibliche Anatomie und die von Männern geschaffene Architektur des 19. Jahrhunderts einen Gegensatz bilden.
Die Frau auf dem Weg zu einem in jeder Hinsicht selbstbestimmten Leben ist das Grundthema von Exports Kunst, und in der Umsetzung ging die Künstlerin gern schockierend radikale Wege. Das zeigt sich auch in den großen Fotografien der „Body Sign Action“. 1970 ließ sich Valie Export in einer öffentlichen Aktion das Tattoo eines Strumpfbands in den Oberschenkel stechen. Damals galten Tätowierungen schon per se als zweifelhaft, und die Großaufnahmen des nackten Unterkörpers mit dem tätowierten Strumpfband dürften die Gemüter gründlich erhitzt haben. 50 Jahre später gelingt es der Künstlerin immer noch, mit „Body Sign Action“ ein Nachdenken anzuregen darüber, dass von jungen Frauen erwartet wird, sexy zu sein.
Der Alltag von Frauen wird in vielen Ländern bis heute durch schlecht bezahlte Arbeit wie dem Nähen geprägt, man denke nur an die Kleiderfabriken in Bangladesh. Gigantische Nadeln senken sich unter ohrenbetäubendem Krach bedrohlich Richtung Boden, und würde man den Hintergrund der 1996/97 entstandenen Installation „Nadel“ nicht kennen, dächte man bei ihrem Anblick an die Horrorgeschichten von Edgar Allan Poe.
Völlige Stille herrscht in der jüngsten der ausgestellten, raumfüllenden Installationen. Ein Wald aus Köpfen auf Stelen. Aber etwas Entscheidendes fehlt den aus Aluminium und Bronze gegossenen Köpfen: das Gesicht. Lauter seelenlose Hüllen, wohin man blickt. Der Mensch dahinter ist verloren gegangen, zurück blieb ein Fragment. Bleibt zu hoffen, dass die Ausstellung selbst nicht durch den Lockdown zum Fragment wird.

„Valie Export. Fragmente einer Berührung“, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, Lichtentaler Allee 8a. Di-So 18-18 Uhr, Eintritt 7€, erm. 5€, freitags frei, www.kunsthalle-baden-baden.de Bis 28.02.2021

Bildquellen

  • Valie Export, Brückendreieck Var. A, 1982, s/w Fotografie Copyright: Valie Export: VG Bild-Kunst, Bonn 2020, Courtesy Valie Export