Große Vorfreude auf ein gutes Leben ohne Tankstellen

Sie ist 40 und hat als Vorzeige-Regierungschefin ihr Land so gut durch die Pandemie gebracht, dass man aus unserem Land, das von einem überforderten Hühnerhaufen aus Beratungsresistenten und Korrupten regiert wird, neidisch auf die andere Seite des Globus schaut. Doch nicht nur im Sachen ‚No-Covid-Strategie‘ sieht man in Neuseeland, wie das gute Leben aussehen kann, das sich so viele wünschen. Premierministerin Jacinda Ardern findet: „Unter dem Strich bietet der Kampf gegen den Klimawandel eine wirtschaftliche Chance für Neuseeland.“ Mit dem Einfuhrstopp für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2032 setzt sie hier rosarotes Kopfkino in Gang.
Ein Leben ohne Verbrenner – was für ein Gewinn das ist, wird einem sofort klar, wenn man auf dem Gehsteig neben der Tankstelle giftige Diesel-Schwaden und Auspuff-Abgase riecht, vom Lärmteppich röhrender Motoren erdrückt wird und auf die rußgeschwärzten Hauswände und Fensterscheiben nebenan schaut. Das ist dann alles wirklich weg! Die ganze stinkende, platzraubende Infrastruktur, einfach nicht mehr nötig. Allein in Freiburg könnten mehr als zwei Dutzend Tankstellen abgeräumt werden. Mal angenommen, es käme eine gute Fee und sagte: „Der Platz in Deinem Stadtviertel, wo heute die Tankstelle steht, ist morgen frei und Du darfst entscheiden, was an dieser Stelle entsteht.“ Was würde uns alles einfallen, von Gartenwirtschaft über Outdoor-Bowlingbahn, Spielplatz, Repair-Cafe, Kiez-Kino, Streichelzoo, Stadteil-Bücherei, Jugendtreff … Den komischsten aller möglichen Vorschläge mag die Autorin hier nicht wiedergeben, obgleich sie schallend gelacht hat, als die nächste und beste Testperson von allen der guten Fee geantwortet hatte.
Auch wer Stromrechnungen von Tankstellen kennt weiß, dass der hohe Stromverbrauch für die Pumpen, die das Benzin aus den unterirdischen Tanks holen, längst nicht das größte Übel ist. Das sind diese Pumpen, von denen wir erst wissen, dass es sie gibt, wenn wir bei der Beschreibung von Blackout-Szenarien an die Stelle kommen, wo die Lebensmittel-LKW nicht mehr fahren, weil kein Strom den Sprit in ihre Tanks pumpt. Wer schon mal eine Auskofferung des verseuchten Erdreichs bei einer Tankstellen-Sanierung begleitet hat, kennt diese Hinterlassenschaften der fossilen Mobilität und den immensen Aufwand, diese Schäden einzuhegen. Da freut man sich auf das Ende des Ölzeitalters.
Dann gibt es noch die vielen Tanklaster, die Tag für Tag von den Raffinerien zu den Tankstellen poltern und mit anderen auspuffqualmenden Fahrzeugen die Straßen verstopfen – die bleiben den Neuseeländer:innen in greifbarer Zukunft erspart. Man möchte sein gesamtes Lungenzugvolumen voller frischer Luft saugen und einen tiefen Stoßseufzer tun, schwankend zwischen Vorfreude und Hoffnung, dass man diese Wendung zum Guten noch miterleben wird.
Es werden Erinnerungen wach, an die Radtour auf Sardinien, als man versehentlich auf die Straße geraten war, die schier endlos mitten durch die bedrohliche Kulisse einer Raffinerie führte. Irgendwo liegen noch diese garstigen Urlaubsfotos, die man den unbelehrbaren Klimaleugnern im Bekanntenkreis schicken wollte, um zu zeigen, dass es neben dem unsichtbaren CO2 auch sichtbare Probleme des Ölzeitalters gibt. Unter dieser Horrorkulisse liegt eine wunderschöne Landschaft begraben. Wie schön wird es, wenn die wieder freigelegt wird! Wie gut wird es, wenn all die tausenden von Ölfrachtern, die kaum reguliert mit dem billigsten und schmutzigsten Treibstoff über die Weltmeere schippern, das einfach bleiben lassen – weil niemand mehr das schwarze Gold zu Geld machen wird. Wenn weiße Strände einfach weiß bleiben, weil kein Ölfrachter mehr unterwegs sein wird, der Leck schlagen könnte, keine Bohrinsel mehr, die nach Deep Water-Horizon-Drehbuch Hunderte Millionen Liter Öl ins Meer erbrechen würde.
Auf die Infrastruktur des Grauens gucken übrigens auch diejenigen nicht, die Sätze mit „Aber die Elektromobilität …“ beginnen. Natürlich wird – unabhängig von der Lärmreduktion – die Umweltbilanz besser, wenn Lieferketten fair und die Stromproduktion erneuerbar sind. Diese Bilanz werden fossil betriebene Fahrzeuge niemals erreichen, denn vor lauter Fingerzeigen vergessen diejenigen, die sich an Benzin und Diesel klammern nur zu gerne, mal auf die kilometerlangen Ölpipelines zu schauen, für die Umweltschützer ermordet wurden. Und auf hunderttausenden von Ölförder-Tiefpumpen, von denen jede einzelne jeden Monat rund zehntausend Kilowattstunden Strom frisst, um das Rohöl aus einigen Kilometern tiefer liegenden Lagerstätten an die Oberfläche zu holen.
Ein ganz wesentlicher Nachteil der E-Mobilität ist für einige Zeitgenossen auch die Gefahr, dass man angefahren wird, weil man die leisen Fahrzeuge ja nicht herannahen hört. Ob das auch ein Nachteil von Fahrrädern ist, konnte nicht geklärt werden. Man möchte sie alle in den Verkehrskindergarten schicken, nicht nur, damit sie lernen, dass man auch im hohen Alter lernfähig sein kann. Auch um ihnen vor Augen zu halten, welche Infrastruktur wir bereit sind mit Steuermitteln zu finanzieren, weil es für Kinder kaum sichere Möglichkeiten gibt, allein mit dem Rad oder zu Fuß in die Schule zu kommen. An dieser Stelle ein ganz heißer Urlaubstipp: mit dem Zug nach Paris, Amsterdam oder Kopenhagen fahren und dort den Segen der fossilfreien Mobilität genießen – in einer fernen Zukunft, wenn Reisen wieder möglich ist, obwohl ein durchgeknallter Hühnerhaufen damit beschäftigt war, sich die eigenen Taschen vollzustopfen, statt eine Krise zu managen.

Bildquellen

  • Die Zeichnungen von Karl Jilg veranschaulichen, wie wenig Platz Fußgänger an einer Straßenkreuzung haben. Die Schluchten stellen die Straßen dar: © Karl Jilg/Swedish Road Administration