Emi Miyoshis neue Produktion „RELAY-tionship“ setzt den Fokus auf die Einsamkeit älterer Menschen

Samstagabend vor dem eigenen PC mit Kopfhörern, pünktlich zum Livestream auf www.infreiburgzuhause.de zu Emi Miyoshis neuer Produktion „Relay-tionship“. Es ist der zweite Teil ihrer von Stadt und Land geförderten Trilogie (Kooperation Kunstverein und E-Werk, Tanz-Forschungsprojekt»Relay RE:search«, gefördert durch das Reload Stipendium der Kulturstiftung des Bundes). Der Auftakt „Morning Flowers“ beschäftigte sich im Februar letzten Jahres mit Morgen-Ritualen. Auch damals ging es der in Freiburg lebenden japanischen Choreografin und ihrem Shibui Kollektiv um Distanz und Verbundenheit. Dieses Mal sollte die Einsamkeit alter Menschen im Mittelpunkt stehen – trotz der steigenden Brisanz des Themas war dann an eine gemeinsame Recherche mit Laien Pandemie bedingt nicht mehr zu denken.

Technik verbindet Menschen in diesen Zeiten und im Internet auch Kunst und Publikum. Eine dünne Lebensader ist es, aber immerhin. Mit Formaten und Präsentation kann aber noch experimentiert werden, folgt doch nun erst einmal eine  Begrüßung vom Direktor des Freiburger Kunstvereins Heinrich Dietz, in dessen Räumen das Shibui Kollektiv seit September mit Tanz, Performance und Installation arbeitet. Auch Emi Miyoshi begrüßt noch einmal ihr Live-Stream-Publikum auf Englisch – gut gemeint, aber der Auftakt ist doch schon etwas langatmig, mamscharrt mit den Füßen und  fragt sich: Wann geht es denn endlich los? Darf man als ausgehungerte Zuschauerin eintauchen, erleben, dabei sein?

„RELAY-tionship“, Foto: Marc Doradzillo

Nach einer Warteschleife mit technischen Problemen sieht man farbige Schläuche, Wurzeln, Moos und Drähte, die sich wiegen, türkisfarbene Tropfen ploppen in Wasserpfützen (Objekte und Installationen: Charlotte Morache, Video: Marc Doradzillo). Ein Technik-Natur – Hybrid sind diese Gewächse, so wie auch die interaktiven Systeme in immersiver Audio-Technik von Ephraim Wegner, mit ihm arbeitet das Kollektiv schon länger zusammen. Er hat die beiden Performerinnen Unita Gay Galiluyo (Tanz) und Winnie Luzie Burz (Gesang ) mit E-Stetoskop-Mikrofonen und Sensoren ausgestattet, wie bei Theremin werden ihre Bewegungen dann per Synthesizer in Geräusche umgewandelt. – Ist hoffentlich so richtig, jedenfalls kompliziert, wie Wegner dann beim anschließenden Werkstattgespräch mit Dramaturgin Monica Gillette erklärt.

Vorher ist ein rund halbstündiger Film mit Performance-Einlagen und Laien zu sehen, letztere berichten über ihre Erfahrungen mit dem Grundbeat dieser Arbeit: Dem Herzschlag. Ein mächtiger Rhythmus, der trotz Distanz zwei Lebewesen aufs Intimste verbinden kann. „Sicherheit“ empfindet der 90-Jährige Albert, der sich zu Emis Miyoshis Herzschlag träumerisch-tastend im Raum bewegt, „Geborgenheit“ sagt die Mutter mit Tochter, „Energie“ erlebt die junge Frau. – Das ist zwar schön anzuschauen, birgt für den Zuschauer aber keine sensationellen Erkenntnisse… Richtig spannend und sehr intensiv dagegen die Kunst:: Welch abgefahrene Sphären-Kobold-Töne Winnie Luzie Burz im Gaze-Zelt produziert, wie es kratzt und klackert, wenn sie mit Steinen in ihrem Mund spielt… Wie spürbar fragil sich über den Beat eine intuitive Verbindung zu Unita Gay Galiluyo aufbaut, die vor wabernden Zellen ganz Rhythmus und Arme und Schatten ist. Das hätte man zu gerne live gesehen und erlebt! Denn auch wenn die Kamera lebendig mitschwingt, umkreist, fokussiert und auch mal per Drohne (?) aus der Höhe filmt – der Live-Anteil bei dieser feinfühligen Arbeit ist im Vergleich zum theoretischen Überbau enttäuschend mager. Zu viel Technik, auch hier.

Das mag an den schwierigen Corona-Produktionsbedingungen liegen: immer wieder veränderte das Kollektiv das Konzept und fokussierte sich auf neue Spurensuche. Interessant sind diese Fragestellungen und Experimente unbedingt.

RELAY-tionship

Bildquellen

  • „Relay-tionship“: Marc Doradzillo
  • RELAY-tionship: © Marc Doradzillo