Elf Tänzerinnen der Schule für Tanz, Improvisation und Performance TIP zeigen ihre Abschlussstücke im E-Werk

„über.schwellen“, so der doppeldeutige Titel, unter dem elf Tänzerinnen jetzt ihre Abschluss-Stücke zur einjährigen Ausbildung bei TIP – der Schule für Tanz, Improvisation und Performance von bewegungs-art Freiburg – präsentierten. (Begleitung: Lilo Stahl, Irene Carreňo Monsalve, Oliver Lange. Licht: Natalie Stark). Zu Corona-Zeiten sicher schon während der Probephase ein besonderes Erlebnis, für die Zuschauer im schütter besetzten E-Werk aber unbedingt: Gerade mal eine gute Stunde lang ist das diesjährige Performance-Programm, aber dank hohem Niveau, viel Originalität und einem temporeichen Mix aus unterschiedlichen Stilmitteln, Stimmungen und auch Schrägheiten ist jedes der acht Kurzstücke absolut sehenswert, wenn auch nicht jeder dramaturgische Bogen schlüssig in sein knappes Zeitfenster passte.
Was da besonders in Erinnerung bleibt? Zum Beispiel das hinreißende, dadaistisch anmutende „Beige against the machine“, in dem Nora Wyss und Miriam Seifert in hautfarbenen Ballett-Trikots virtuos mit zwei Wäscheständern herumfaxen: Mal sind ihre Objekte komplexe Maschinen mit synchron austarierten Flügeln und Klappen, mal Käfige, Bettgestelle oder Wesen mit Eigenleben und zitternden Drähten. Futuristisch-skurril, vor allem sehr exakt ausbaldowert und umgesetzt. Toll auch Jule Fuchs, Julie McGovern und Lily Bromley bei ihrer Choreografie „Les trios capricieuses“ mit Musik von Antoine Forqueray, der sich als Kammermusiker am Hof Ludwig XIV. einen Namen machte. Umso lustiger und ungestümer die Tee-Tischgesellschaft, die zum höfischen Menuett in dynamischer Posen-Endlosschleife mit Abwandlungen agiert: Viel schwingendes Haar, Schmollmünder, wilde Hupfer und Wirbler, dazwischen sittsames Einfrieren bis zur nächsten Bewegungseruption.
Jede Menge Dynamik zeigt auch das Trio Léa Iannone, Jule Fuchs und Priscilla Roeck, die in ihrer zirkusreifen Performance zwei Styroporblöcke sehr witzig und dynamisch bespielen. Wie beim Synchronschwimmen ploppen erst nackte Beine und Arme hervor, dann wird ein Parcours daraus, bevor zum melancholischen „Flow my Tears“ plötzliche Trägheit zuschlägt und die drei zusammenklappen, wegrutschen und mitten in der Bewegung einschlafen. Wenig später zappeln sie wie Engerlinge ohne Arme auf dem Rücken… Bildermächtig! Genauso wie das Solo „Táimse im Chodladh“ von Julie McGovern, die hier im XXL- Schlafanzug einen clownesken Reigen mit Kopfkissen zeigt: Den Kopf tief in den Federn vergraben schiebt sie sich über die Bühne, mal tanzt sie schlafwandlerisch mit ausholenden Gesten, mal supergeschmeidig oder wie eine Aufzieh-Gliederpuppe.
Sportlich-poetisch ist das Duo „Theo &Stine“ von Louisa Ostermann und Miriam Seifert, auch ihnen sieht man sehr gerne zu. Erst still und reduziert, dann sehr schnell und verspielt ist „More Than One“ von Priscilla Roeck, die sich wie bei einem Kinderspiel in acht kreisrunden Spots verausgabt. Beeindruckend auch Michaela Dašková in ihrem „This is not about me!“: Mit strengem Zopf, weißem Hemd und Krawatte gibt sie die arrogante Herrscherin und hält eine zunehmend aggressive Rede in einer Mixtur aus Englisch und Tschechisch. Erst souverän, dann zuckend, getrieben, wie ferngesteuert und mit wildem Schattenboxen macht hier ein Alpha-Tier klar, dass es niemals freiwillig die Arena räumen wird.

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  • Absolvent*innen von TIP zeigen acht Kurzstücke: Promo