Eintauchen in die Welt der Korallen

Fantastische Formen wachsen an den Wänden empor, sie wellen und kräuseln sich in allen erdenklichen Farbschattierungen. Aus der Ferne sehen sie wie besonders farbenprächtige Korallenriffe aus. Das sollen sie auch darstellen in der Ausstellung „Wert und Wandel der Korallen“, die bis zum 26. Juni im Museum Frieder Burda in Baden-Baden das Eintauchen in eine andere Welt ermöglicht. Ganz ohne Tauchschein, denn diese Korallen sind aus Wolle und wurden von rund 4.000 Häkelfreundinnen und ein paar wenigen Häkelfreunden aus ganz Deutschland eigens für diese Ausstellung angefertigt und nach Baden-Baden geschickt. Dort, im Museum Frieder Burda, haben viele fleißige Hände die 40.000 Häkelkorallen unter der Anleitung der Schwestern Margaret und Christine Wertheim im Laufe eines ganzen Jahres zum „Baden-Baden SatelliteReef“ zusammen gehäkelt und genäht. Das alleine verwandelt schon das komplette Obergeschoss in eine Unterwasserwelt im Trockenen.
Den Wertheims geht es bei der Aktion nicht um eine Handarbeitsausstellung, sondern um das sich weltweit ausbreitende Sterben der Korallenriffe. Sie stammen aus Australien, das gerade wieder eine große Summe in die Erhaltung des gefährdeten Great BarrierReefs investiert. 2005 hatten sie die Idee, an einer Ausstellung zum Klimawandel in Chicago mit gehäkelten Korallen teilzunehmen und so ihren Protest gegen das Korallensterben auszudrücken.Inzwischen haben weltweit schon viele Menschen an diesem Protest teilgenommen, indem sie Korallen häkelten.
Christine und Margaret Wertheim schlagen damit nach eigener Aussage auch der traditionell auf einen einzigen, meist männlichen, Künstler zugeschnittenen Kunstszene ein Schnippchen. In ihren Korallenriffen kommt die Wertschätzung der handwerklichen Fähigkeiten von Frauen zum Ausdruck. Kein Häkelriff geht verloren, in Baden-Baden gedeihen die weltweit seit 2005 entstandenen Riffe in sämtlichen Museumsräumen. Und auch das aktuell für die Ausstellung gefertigte „Baden-Baden SatelliteReef“ wird nach dem 26. Juni in die Wertheim’sche Sammlung gehäkelter Riffe eingehen und vielleicht anderswo auf der Welt wieder gezeigt werden.
Udo Kittelmann, der künstlerische Leiter des Museums Frieder Burda, sah das „Crochet Coral Reef“ (Gehäkeltes Korallenriff) der Wertheims 2019 auf der Biennale in Venedig und war sofort interessiert, weil diese Arbeit so ganz anders als die sonst zu sehende Kunst ist. Und ihm gefiel die Schönheit des Häkelriffs, das er nach Baden-Baden holte. Der Aufruf, für die Ausstellung im Museum Frieder Burda – und für die Weltmeere – zu häkeln, stieß auf eine überwältigende Resonanz. Über 4.000 Einsendungen kamen an, und hinter jeder eingesandten Häkelkoralle steht eine Geschichte. Seniorenkreise und Schulklassen haben gemeinsam gehäkelt, und für jede Häkelkoralle wurde vom Sponsor EnBW Geld auf das Konto von „Sea Shepherd“ überwiesen. Die Meeresschutzorganisation freut sich über einen fünfstelligen Betrag. Und die Wertheim-Schwestern freuen sich über die „Sixtinische Kapelle“, die in Baden-Baden entstandene Krönung aller bisherigen gehäkelten Korallenriffe.
Nicht alle Riffe sind freundlich und flauschig. Es wurde nämlich nicht nur Wolle, sondern auch Plastik verarbeitet. Damit wird der allgegenwärtige Plastikmüll in den Meeren auch in die ausgestellten Korallenriffe integriert. Für das „Toxische Riff“ wurde sogar nur Plastik verarbeitet. So wie in der Natur, in der Korallenriffe aus einer Fülle winziger kleiner Lebewesen bestehen, die organisch wachsen, haben die Wertheims auch die Fülle an gehäkelten Korallen in allen Formen, Farben und Größen ohne einen festen Bauplan zusammengefügt. Jedes Häkelriff entwickelt sich sozusagen spontan aus dem, was da ist. Das „Zusammenwachsen“ der einzelnen Teile zu einem großen Ganzen spiegelt das Leben auf der Erde, in dem kein Lebewesen ohne die anderen existieren kann.

„Wert und Wandel der Korallen“, Museum Frieder Burda, Lichtentaler Allee 8b, 76530 Baden-Baden, Di-So 10-18 Uhr, Eintritt 14€, bis 18 Jahre 5€, Kinder bis 8 Jahre frei, www.museum-frieder-burda.de. Bis 26.06.2022

Bildquellen

  • Margaret and Christine Wertheim and the Institute For Figuring, Coral Forest at Lehigh University Art Galleries, PA: Photo courtesy LUAG by Stephanie Veto