Eine Annäherung an eine Katastrophe

Als die Veranstaltung „Tschernobyl 25 Expeditionen“ geplant wurde, war sie als Gedenken an eine Katastrophe geplant. Dass der Super-GAU in Tschernobyl vom 26. April 1986
durch den Reaktorunfall im März dieses Jahres in Fukushima eine traurige Wiederholung erfuhr, hat dies verändert. Und so ist die Veranstaltungsreihe „Tschernobyl 25 Expeditionen“, die seit April in Berlin, Kiew, Warschau, Brüssel und dem Wendland gastiert und ab dem 18. September auch in Freiburg zu sehen ist, mehr als eine Gedenkveranstaltung, sie ist eine sehr aktuelle Mahnung, sich selbst und die eigenen technischen Möglichkeiten nicht zu überschätzen.
In Freiburg haben sich mit dem Morat-Institut für Kunst und Kunstwissenschaft, dem Koki sowie dem Literaturbüro und dem Augustinermuseum gleich mehrere Veranstaltungsorte zusammengeschlossen. Die Ausstellung im Morat-Institut erzählt einerseits vom Fortschrittsoptimismus in der eigens wegen der Atomindustrie gegründeten Stadt Prypjat, andererseits präsentiert sie eine Sammlung okö-politischer Plakate und die Fotografien von Andrej Krementschouk und Robert Polidori. Polidoris Fotos entstanden 15 Jahre nach dem Unfall in der Sperrzone und zeigen verwaiste Klassenräume und Krankenzimmer. Es sind Bilder einer Apokalypse, der man dank Polidori in die Augen schauen kann. Polidori, der selbst positiv gegenüber der Kernkraftenergie eingestellt ist, sagte in einem Interview über seine Aufnahmen, dass sie Skelette von gelebtem, aber vergangenem Leben zeigen, welches durch Gewalt zur Aufgabe gezwungen wurde. Andrej Krementschouk hingegen hat sich auf die Suche nach den Menschen gemacht, die ihren Lebensort verlassen mussten. Erweitert wird diese Fotoausstellung im Dezember durch eine Präsentation im Augustinermuseum, die einen Einblick in die Region Polissjas gewährt, zu der Tschernobyl gehört. „Tschernobyl. Expeditionen in ein verlorenes Land“ zeigt, wie hier die Menschen vor dem GAU gelebt haben, die Ukrainer, die Weißrussen, die Deutschten und auch die jüdische Minderheit.
Unter dem Stichwort „Störfall Text“ veranstaltet das Literaturforum Freiburg am 18. September ein internationales Symposium. Eingeladen wurde auch die belorussische Autorin Swetlana Alexijewitsch, die 1997 ihr Tschernobyl-Buch „Eine Chronik der Zukunft“ veröffentlichte. Sie schrieb: „Kein großer Schriftsteller hat sich des Themas angekommen, kein Philosoph. Tschernobyl liegt außerhalb der Kultur“. In Freiburg wird sie mit dem ukrainischen Autor Juri Andruchowytsch, dem Kulturwissenschaftler Harald Welzer sowie Rebecca Harms von den Grünen diskutieren. Von der literarischen Seite werden sich die Autoren Serhij Zhadan, Kathrin Röggla und Inka Parei, deren jüngstes Buch „Die Kältezentrale“ Tschernobyl behandelt, annähern. Während Felix Knoke, Robert Glashüttner und Fabian Grossekemper sich mit einem Computerspiel befassen, dass die Atomkatastrophe aufgreift.
Über einen Monat wird im Kommunalem Kino die Reihe „Prypjat – Das Unbehagen an der Moderne“ zu sehen sein, sie kreist um die „Zukunftsstadt“ Prypjat und ihren Zerfall, aber auch Andrej Tarkowskis Film „Stalker“ wird unter anderem vorgeführt sowie der Dokumentarfilm „Vorwärts, Sowjet!“ aus dem Jahr 1926, der den Aufbau der jungen Sowjetunion beschreibt.
Die Straße der Enthusiasten, Morat-Institut, 18.9. bis 29.10.
Störfall Text, Literaturbüro Freiburg, 18.9.
Prypjat – Das Unbehagen an der Moderne, Koki, 20.9. bis 30.10.
Tschernobyl. Expeditionen in ein verlorenes Land, Augustinermuseum 17.12. bis 18.3.
Weitere Infos unter www.tschernobyl25.org