Ein Leben für die Kinokultur

Verschmitztes Lächeln, schwarzer Hut und roter Schal! Mit diesen drei Markenzeichen wurde Dieter Kosslick in aller Welt bekannt, als er 2001 die Leitung der Berlinale, des weltgrößten Kino-Publikumsfestivals übernahm, die er bis 2019 innehatte. Als studierter Kommunikations- und Politikwissenschaftler war er zuvor als persönlicher Referent und Redenschreiber für den Hamburger Bürgermeister Hans-Ulrich Klose tätig, leitete die gesamte Hamburger Filmförderung und wechselte danach auf den Chefposten der Filmstiftung NRW und entwickelte das Bundesland zum Leuchtturm der deutschen Filmstandorte. Nunmehr im Ruhestand beschrieb er in seinem Buch „Immer auf dem Teppich bleiben“ höchst vergnüglich seine Begegnungen mit fast allen internationalen Stars der Filmbranche, beschäftigte sich aber auch kritisch mit der Zukunft des Kinos.
Im ersten Drittel erfährt der Leser Biographisches. Der Monumentalfilm „Ben Hur“ war der erste Hollywood- Film, den der damals elfjährige Dieter auf großer Leinwand zu sehen bekam und insbesondere das atemberaubende, über zehn Minuten dauernde Wagenrennen der Gladiatoren, erweckte seine Liebe zum Kino und zählt bis heute zu seinen Lieblingsfilmen. Es folgten regelmäßige Besuche der Sonntagsvorstellungen im Bali-Kino seines Heimatorts Ispringen bei Pforzheim, bei denen der jugendliche Filmfan immer als erster vor der Einlasstür stand und die Türklinke in der Hand hielt, weil die ersten immer auch die besten Plätze ergatterten. Gespickt mit ähnlich Kino-affinen Anekdoten zeichnet Kosslick mit feinem Humor, bisweilen auch ernsten Zwischentönen seinen Weg über verschiedene Stationen bis hin zum Direktor der Berlinale.
Im zweiten Teil kommen alle Liebhaber von Insider-Geschichten aus der Glamour-Welt des internationalen Filmsauf ihre Kosten. Mit, wie er schreibt, „schwäbischer Diskretion“, schildert der fast zwanzig Jahre in engster Tuchfühlung mit der Weltstar-Elite stehende ehemalige Chef des bedeutendsten internationalen Publikums-Festivals eine große Zahl von skurrilen Begegnungen, lustigen kleinen und großen Katastrophen, aber auch viele magische und berührende Momenten seiner Festivalzeit. Nie wird dies zum billigen Klatsch oder gar zur Denunziation. Stattdessen sprechen aus jeder Zeile die Liebe und Fürsorge des Autors zu dieser eigentümlichen Welt und er betont nachdrücklich die Bedeutung der Berlinale mit ihrem erklärten Einsatz für Toleranz, Völkerverständigung und Frieden.
Im Schlussteil geht es um die Krise oder besser die Zukunft des Kinos im Verhältnis zu Streaming-Diensten und sozialen Medien. Leidenschaftlich plädiert Kosslick für das einmalige, nicht zu ersetzende Gemeinschaftserlebnis im Kinosaal mit großer Leinwand und dem erhebenden Moment der Öffnung des Vorhangs. Dies müsse für die junge Generation unbedingt durch gezielte Maßnahmen und Investitionen erhalten werden. Dafür formuliert er viele Vorschläge für eine Neuorientierung und bessere Organisation der Filmförderung und schließt die Kooperation mit Streaming-Diensten keineswegs aus. Dazu gehörenangesichts des hohen CO2-Ausstoßes von Filmprojekten im Hinblick auf Klimaschutz auch klare Vorgaben für eine ökologische Filmproduktion. Er nennt etliche Beispiele aus Hollywood und Deutschland für „Green-Filming“ mit hoher Effizienz und führt einen detaillierten Maßnahmenkatalog für nachhaltige Veränderungen auf. Auch hier spricht der Fachmann und Innovator.
Kosslicks Buch ist durchweg spannend und mit Herzblut geschrieben und man mag es kaum aus der Hand legen. Ein „Muss“ für alle Cineasten und folglich ein guter Tipp für die kommende Auswahl der Weihnachtsgeschenke.

Das Buch von Dieter Kosslick „Immer auf dem Teppich bleiben – Von magischen Momenten und der Zukunft des Kinos“ ist im Buchhandel unter ISBN: 978-3-455-00360-4 erhältlich

Bildquellen

  • Dieter Kosslick (links) mit Kinobesitzer Leopold Winterhalder kurz vor seiner Lesung im Krone-Kino in Titisee-Neustadt: Foto: Erich Krieger