Die Realität auf der Leinwand einfangen: In der Kunsthalle Messmer sind Werke von Dieter Nuhr und Stephan Kaluza ausgestellt
Dem Waldbaden werden heilende Kräfte zugesagt – wir finden im Reich der natürlichen Riesen Entspannung und Zufriedenheit. Künstlerisches Waldbaden kann derzeit in der Kunsthalle Messmer erlebt werden, wo gleich zwei Künstler ihre Werke ausstellen: Der in Düsseldorf arbeitende Stephan Kaluza sowie Dieter Nuhr zeigen in Riegel eine gemeinsame und doch getrennte Ausstellung. Unter dem Titel „Zwischen den Welten“ teilt sich die Schau in zwei Bereiche: Die digital ausgearbeiteten Werke des Kabarettisten Dieter Nuhr warten am Eingang. Das macht Sinn, denn Dieter Nuhr, der von 1981 bis 1987 Malerei an der Universität in Essen studierte, ist gewiss eine Person, dessen Name allein die Menschen in die Ausstellung lockt. Der kann auch Kunst? Ja, das kann er – ähnlich kontrovers wie sein Kabarett.

Nuhrs Werke entstehen im Wesentlichen digital, zu „98 Prozent“, erzählt der Künstler auf der Pressekonferenz. Fotos, die er auf seinen Reisen knipst, dienen als Rohmaterial und Ausgangsoberfläche. An seinem Computer nutzt Nuhr dann eigenst programmierte Pinsel, die Strukturen aus den Fotografien imitieren, z.B. die Oberflächen von Böden oder Pflanzen. So schlägt Nuhr eine Brücke zwischen Digitalität und künstlerischem Handwerk. Dabei entzieht er seinen Werken ihre Ursprungsfarbe. Die Stillleben wirken entfremdet. Birnen verlieren ihr saftiges Grün, Khakis sind nicht mehr Orange, stattdessen taucht Dieter Nuhr seine Werklandschaft in neue Farben: Lila, Hellblau, Grün überziehen die Leinwände, wirken der Realität entrissen und stehen in einem starken Kontrast zu den fotorealistischen Umrissen. Man vermisst zuweilen das Pink der Flamingos („Senegal Djoudj 31“). Allein der Granatapfel darf seine Farbe im übergroßen, die gesamte Wand einnehmenden Werk „Griechenland Nafplion (Granatäpfel) 01“ behalten. Man vermisst zuweilen den roten Faden, jenseits des Namens.
Während Nuhrs Werke allein durch ihre Farbentfremdung provozieren, taucht man im zweiten Teil der Ausstellung in sagenhafte und gewaltige Naturspektakel ein. Gewaltig nicht weil inhaltlich aufregend, gewaltig durch ihre ungemein feine Ausarbeitung. In seinen Werkserien Transit I und Transit II setzt sich Stephan Kaluza mit der Natur auseinander. Auf Wanderungen lässt er sich für seine hyperrealistischen Werke inspirieren, die er vorzugsweise im Teutoburger Wald unternimmt. Der Zustand der Wälder sei alarmierend. „Die Natur verlässt uns“, stellt der Künstler im Gespräch fest. Seine Werke sind eine Zeitaufnahme, wirken wie eine Mahnung.
Es ist eine ursprüngliche Kraft, die den Betrachtenden packt, sobald man vor einem seiner Werke steht. Ein unglaubliches Spiel mit den Sinnen: Öl auf Leinwand und doch könnte man schwören, die Bilder würden sich bewegen, seien Videoaufnahmen, die das Licht, das Rauschen des Meeres, das Zwitschern der Vögel und das Wiegen der Bäume im Wind einfangen. Kaluza spielt so gekonnt mit Schärfe, Farbwahl und -verlauf, dass man den Fuß am liebsten direkt ins Meer tauchen möchte und die salzige Luft auf der Zunge schmeckt („Transit 152“). Jedes Detail stimmt. Die Spiegelung des Lichts auf einem Wassertropfen, der ein mit Äderchen durchzogenes Blatt hinabperlt („Transit 219“) ebenso wie das detailreiche Blätterdickicht („Transit 146“ U. „Transit 122“), bei dem das Sonnenlicht auf die absurd real wirkenden Blätter des Farns trifft. Auf seiner Leinwand fängt Kaluza die Realität ein und lässt eine vierte Dimension entstehen. Das Spiel mit Sound und Licht wäre an dieser Stelle eine berauschende Ergänzung der Ausstellung gewesen. Nichtsdestotrotz verlässt man die Kunsthalle Messmer mit einem Gefühl der Entspannung und Zufriedenheit. Beinahe so, als hätte man den Nachmittag im wilden Dickicht des Teutoburger Waldes verbracht.
Zwischen den Welten. Dieter Nuhr, Stephan Kaluza. Kunsthalle Messmer, Riegel a. K. Di-So 10-17 Uhr, feiertags geöffnet. Bis 13.07.25
Bildquellen
- Dieter Nuhr: „Granatäpfel 01“: © Dieter Nuhr
- Stephan Kaluza: „Transit 146“, 2022, 200 x 300 cm, Öl auf Leinwand: Copyright: Stephan Kaluza