Die Kunsthalle Mannheim beleuchtet in der Ausstellung „Mindbombs“, wie sich Terror in Szene setzt

Ivana Spinelli, Global Sisters, 2010, Privatsammlung
© Ivana Spinelli

Gott reicht dem Menschen die Hand, fast berühren sich die ausgestreckten Zeigefinger: so kennt man das weltberühmte Gemälde „Die Erschaffung Adams“ von Michelangelo. In der Ausstellung „Mindbombs – visuelle Kulturen politischer Gewalt“ variiert der Künstler Khalid Albaih das Thema auf bitterböse nur allzu aktuelle Weise. „Not in my name“ zeigt die weiß verfremdete göttliche Gestalt, die der schwarzen Silhouette eines bewaffneten Terroristen eine Waffe reicht. Die Kunsthalle Mannheim beleuchtet bis zum 24. April 2022 in „Mindbombs“, wie sich Terror in Szene setzt und welche künstlerischen Reaktionen Terror und Gewalt auslösen.
Kurator Sebastian Baden greift dazu bis auf die französische Revolution 1789 zurück. Zeichnungen und Karikaturen zeigen, wie erst das Staats­oberhaupt, König Louis XVII., den Kopf verliert. Dann frass diese Revolution ihre Kinder, zum Beispiel den berühmt-berüchtigten Robespierre. Er steuerte die besonders blutige Phase der Revolution, die bis heute als „la Terreur“ (der Schrecken) in die Geschichte einging und dem, was wir Terror nennen, seinen Namen gab.„Der Terror kam mit der Moderne in die Welt“, sagt Kurator Baden.
Im Mittelpunkt steht der Terroranschlag, der weitreichende internationale Folgen hatte und bis heute hat: Nine Eleven ist jetzt 20 Jahre her, aber unvergessen. Aus der Privatsammlung von Thomas Ruff stammt der Fotodruck, auf dem die Rauchschwaden des brennenden World Trade Centers das Empire State Building einhüllen. Gerhard Richter zeigt das brennende Gebäude wie hinter fließendem Wasser. Beide Bilder wirken seltsam entrückt in ästhetische Fernen.
Auf die Folgen in der muslimischen Welt weisen Künstler wie Khalid Albaih hin. In seinen an Karikaturen erinnernden Bildern zeigt er, wie die muslimische Zivilgesellschaft zwischen Terroristen – Du stehst auf der Seite der Ungläubigen – und dem Westen – Du bist Terrorist – zerrieben wird. Der Irak wird als gefesselte Frau dargestellt, dem IS-Terror ebenso ausgeliefert wie dem US-Militär. Welche Wucht Waffen entwickeln können, wird in der Installation „Bullet Action-Painting/Machine Cannon“ von Almut Linde deutlich. Die durchlöcherten Stahlplatten sprechen eine klare Sprache.

Édouard Manet: „Die Erschießung Kaiser Maximilians“, 1868 – 1869, Kunsthalle Mannheim

„Mindbombs“ widmet sich auch den künstlerischen Reaktionen auf den Terror der RAF. Bader, Ensslin und Meinhof hatten viele Fans und verständnisvolle Unterstützer in der Kunstszene, die sie als moderne Heilige und Märtyrer inszenierten. Einen breiten Raum nehmen die Positionen gegen den Terror von rechts ein, inhaltlich wie räumlich. Wie eine Mischung aus Wagenburg und Wohnzimmer wirkt Henrike Naumanns Installation „Das Reich“. Schränke, Vitrinen, Sessel täuschen Gemütlichkeit vor, falsche Felle und ein Germanenhelm erinnern an den Germanenkult der Nazis, ebenso wie das Kissen mit dem Reichsadler und dem Deutschland-Schriftzug. Wo das enden kann? Daran erinnern die Gesichter der Opfer des NSU.
Der französisch-algerische Künstler Kader Attia setzt sich mit dem kollektiven Gedächtnis von Gesellschaften auseinander. Seine Installation besteht aus vielen historischen Karikaturen und Titelbildern zum Themenbereich koloniale Herrschaft und Kolonialkriege. Der mehrdeutige Titel seiner 2013 geschaffenen Arbeit: „Die Kultur der Angst: eine Erfindung des Bösen“, und man fragt sich, ob hier die Kolonialherren vor den Kolonisierten Angst haben oder umgekehrt die Kolonialtruppen Angst und Schrecken unter den Einheimischen verbreiten sollten. Jedenfalls sieht man, wie gut das Angstmachen in beide Richtungen funktioniert. Insgesamt ist die Ausstellung ein kompakter Block innerhalb der weitläufigen Mannheimer Kunsthalle. Aber „Mindbombs“ enthält reichlich Material, um Gedankenbomben platzen zu lassen.

„Mindbombs – visuelle Kulturen politischer Gewalt“, Kunsthalle Mannheim. Bis 24. April 2022.

Bildquellen

  • Ivana Spinelli, Global Sisters, 2010, Privatsammlung © Ivana Spinelli: Foto: Ivana Spinelli
  • Édouard Manet: „Die Erschießung Kaiser Maximilians“, 1868 – 1869, Kunsthalle Mannheim: Foto: Kunsthalle Mannheim / Cem Yücetas
  • Installationsansicht: Almut Linde: „Dirty Minimal #33.3“ — Bullet Actionpainting/Machine Cannon, 2006 Courtesy the artist and PSM, Berlin: © Kunsthalle Mannheim; Elmar Witt