Die Fondation Beyeler kann mit einer großen Goya-Ausstellung aufwarten

Francisco de Goya: „Doña Antonia Zárate y Aguirre“, um 1805, Öl auf Leinwand, 103,5 x 82 cm, National Gallery of Ireland, Dublin, Schenkung, Sir Alfred und Lady Beit, 1987 (Beit Collection)
© National Gallery of Ireland NGI.4539

Beinahe noch im Entree begegnen wir dem Künstler selbst. Er sitzt links im Bildraum während er die Familie des Infanten Don Luis malt. Die Szene wird sich so oder so ähnlich 1783 abgespielt haben, im gleichen und im nächsten Jahr entstand das repräsentative Gemälde. Im Zentrum ist die Infantin zu sehen, der gerade die Haare frisiert werden, ihr Mann sitzt am Spieltisch. Obwohl Goya viele Menschen auf dem Bild vereint hat, wirken sie seltsam beziehungslos, doch einige schauen uns direkt an und ihre Persönlichkeit scheint sich unmittelbar mitzuteilen. Wenige Jahre zuvor war Francisco de Goya (1746 – 1828) Hofmaler geworden. Und dies ist ja das Überraschende an dem Maler, dass er einerseits in Verbindung zum Hof stand, und andererseits vor allem durch seine schonungslosen Darstellungen von Kriegsgräueln und der Inquisition zu einem Wegbereiter der Moderne geworden ist. Die Veröffentlichung seines Grafikzyklus „Die Schrecken des Krieges“ war ihm selbst zu heikel geworden, sie erscheint erst 1862, Jahrzehnte nach seinem Tod.
Nach coronabedingtem Hin und Her ist die Goya-Ausstellung also jetzt in der Fondation Beyeler zu sehen. Man kann sich nur unzureichend ausmalen, welchen Aufwand das Museum betrieben haben muss, um insbesondere die vielen privaten Leihgeber für diese Ausstellung zu gewinnen. „Goya“ jedenfalls stillt die Schaulust und da die Werke chronologisch gehängt sind, bekommt man zudem einen Einblick in das Zeitalter Goyas, das durch den Spanischen Erbfolgekrieg und später den Unabhängigkeitskrieg geprägt war. Die conditio humana war zu Lebzeiten Goyas ein wirklicher Schrecken.

Doch es muss auch eine Lust an dieser Entgrenzung gegeben haben. 1797/98 entsteht der „Hexenflug“, das Bild war von den Herzögen von Osuna als Dekoration für ihr Landhaus in Auftrag gegeben worden, heute hängt es im Madrider Prado. Das Nachtstück zeigt, wie sich mehrere Hexen Männer bemächtigt haben und sie in die Lüfte entführen. Zusammen bilden sie einen unheimlichen Luftreigen, aus dem spitze Hüte ragen. Man weiß nicht, ob es sich dabei um die Ketzer-Hüte der Inquisition handelt oder ob das Bild im Zusammenhang mit einer Freimaurer-Loge steht, die ihre eigene Überlegenheit über die Unwissenheit der anderen feiert. Goyas „Hexenflug“ jedenfalls könnte die düstersten Träume eines Shakespeare-Dramas illustrieren. Und unter diesem Antagonismus steht auch die Ausstellung. Man sieht viel Gewalttätiges im Zusammenhang mit der Religion wie die Flagellanten-Prozessionen der Brüderschaften, deren Mitglieder sich die Rücken blutig schlugen, aber eben auch Inquisitionsverhöre. Und dann sind da noch die Grausamkeiten, die sich Menschen gegenseitig antun, aus den willkürlichsten Gründen, weil sie etwas anderes glaubten oder einfach nur Pech hatten. Gleich zwei Mal begegnet den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung das Gesicht eines Garottierten, der das ganze Elend der Menschheit zu verkörpern scheint. „Nichts, es wird sich zeigen“ heißt eines der Grafikblätter. Nichts, dem Goya hier nicht Augenzeuge wäre. Eine Reihe von Küchenstillleben wirken wie eine malerische Entsprechung dieser detailierten Szenen. Dabei versprechen die toten Waldschnepfen, die Scheiben Lachs und die Rotbrassen kein üppiges Mahl, es ist eher der Tod, der uns hier anblickt.
Doch es gibt auch die lichten Momente in dieser Ausstellung. Auch für sie ist der Mensch zuständig. Es sind die Freunde des Künstlers, Intellektuelle, Dichter, Liberale, die er porträtiert und denen man von Angesicht zu Angesicht den Bau einer anderen Weltordnung zutraut. Oder die Herzogin Alba in einem weißen Kleid, mit roter Schärpe und roter Schleife am Oberteil, die auch ihren kleinen fluffigen weißen Hund ziert. Den Titel vermerkt Goya auf ihrem weißen Rock, so dass jeder sehen kann, wer sich hier zeigt.

Goya. Fondation Beyeler, Baselstr. 101, Basel-Riehen. Mo-So 10-18 Uhr, Mi 10-20 Uhr. Bis 23. Januar 2022.

Bildquellen

  • Francisco de Goya: „Doña Antonia Zárate y Aguirre“, um 1805, Öl auf Leinwand, 103,5 x 82 cm, National Gallery of Ireland, Dublin, Schenkung, Sir Alfred und Lady Beit, 1987 (Beit Collection): © National Gallery of Ireland NGI.4539
  • Francisco de Goya: „Hospital für Pestkranke (Hospital de apestados)“, 1808–1810, Öl auf Leinwand, 32,5 x 57, 3 cm,: Foto: Sammlung Marqués de la Romana