Der Kunstverein Freiburg zeigt Arbeiten des Berliner Künstlers Lukas Quietzsch

Man sollte nicht denken, dass es Künstlerinnen und Künstler besser haben. Zumal nicht während einer Pandemie. Auch ihnen stellen sich derzeit ganz praktische Fragen. Abgesehen davon, welche Konsequenzen ausgefallene Ausstellungen, Messen und Atelierbesuche haben. Fragen wie: wo arbeiten, was arbeiten und wie die Kinder betreuen. Lukas Quietzschs Einzelschau im Kunstverein Freiburg heißt nicht grundlos „Groß und Klein“. Auch Flyer und Plakat zeigen zwei kleinere Gebilde, in deren Mitte ein größeres steht. Der Maler hat offensichtlich viel Zeit zuhause verbracht. Und so darf man das Thema des Maßstabes, das selbstredend immer ein künstlerisches ist, hier auch biografisch verstehen. Denn es geht in „Groß und Klein“ auch um einen Dialog zwischen Vater und Tochter.
In den beiden Arbeiten, die Quietzsch selbst als Schlüsselwerke der Ausstellung bezeichnet hat, wird diese enge Beziehung zwischen ihm und seiner neunjährigen Tochter offensichtlich. In „Zeichnungen von Edi ausgeschnitten und aufgeklebt“, es hängt an der Stirnseite des Kunstvereins, hat der Maler ausgeschnittene Kinderzeichnungen auf die Leinwand appliziert, ihnen eine Komposition gegeben. Es sind Zeichnungen aus einer Altersphase, in der Figuren überdimensionierte Köpfe haben. Eine Frau mit langen Haaren ist als Typus immer wieder zu erkennen, einmal hebt sie den Finger belehrend, doch da sind auch viele Männchen, die aus Alien-Comics stammen könnten. Anders als etwa Asger Jorn, der den kindlichen Duktus bewusst eingesetzt hat, um die Malerei zu erneuern, scheint es Quietzsch eher um die Kommunikation zwischen Groß und Klein zu gehen. In der Arbeit „cute but adult“ hat Lukas Quietzsch das Bilder­universum großäugiger Kinderfiguren und Tiere, darunter auch ein Einhorn, der großen Unterhaltungsfirmen ausgeschnitten und auf die Leinwand geklebt. Die Gouachefarbe deckt das Kitsch-Universum nur notdürftig ab. Es ist ein Bild gewordener Eltern-Alptraum. Dazu passt, dass auf der Empore des Kunstverein Freiburg Slideshows der Serie „74 Bilder aus einer Bewegung“ zu sehen sind, die sich formal das Dia-Karussell des Projektors zum Vorbild genommen haben und dieses in den Raum schrauben. Quietzsch hat in einer spiralförmigen Bewegung mit der Kamera einen Blick in das Playmobil-Puppenhaus seiner Tochter geworfen, aber auch in den Eingangsbereich seines Berliner Wohnhauses. Es ist ein bisschen so als schaute man in ein Schneckenhaus, derweil man jede einzelne Windung nachahmt.
Und vielleicht ist dieser Rückzug auf das Private, alle ausgestellten Bilder sind in den letzten beiden Pandemie-Jahren zuhause entstanden, nur eine Steigerung des Selbstreflexiven, das der Malerei grundsätzlich zu eigen ist. Quietzschs Bilder bauen sich auf, indem er Farbe mit dem Pinsel aufträgt und sie wieder wegnimmt. Das Gestische des Pinselstrichs ist also nicht da und doch vorhanden. Die Oberfläche bekommt dadurch etwas Flaues, Durchlässiges und nicht immer lässt sich kontrollieren, wie die Farben reagieren. Der Titel „Groß und Klein“ sagt zudem etwas, über die Arbeitsweise des Berliner Künstlers aus. Die Leinwand ist aus kleineren Stücken zusammengenäht und der Maßstab spielt auch für die Komposition eine Rolle. Bei „LukasSchlafTraumSchrei“ doppelt sich das schräge Motiv eines Wesens, das mehr Maske als Kopf ist, und in einem Bett schläft, dessen Pfosten mit gelben Kugeln geschmückt sind. Quietzsch hat das Motiv und den Maßstab leicht verändert. Der Titel klingt als könnte man dieser Welt nicht entkommen. Hoffen wir, dass sich die Türen bald wieder öffnen.

Lukas Quietzsch, Groß und Klein. Kunstverein Freiburg, Dreisamstr. 21, Freiburg. Dienstag bis Sonntag 12 bis 18 Uhr, Donnerstag 12 bis 20 Uhr. Bis 6. März 2022. Weitere Infos: www.kunstvereinfreiburg.de

Bildquellen

  • Lukas Quietzsch: „Groß und Klein“, Installationsansicht, Kunstverein Freiburg, 2022, Courtesy der Künstler und Schiefe Zähne, Berlin: Foto: Marc Doradzillo