Das Theater Freiburg zeigt Arrigo Boitos „Mefistofele“

Ironie unter der Discokugel

Bei einer Faustoper denkt man vor allem an Berlioz‘ „La Damnation de Faust“ oder Gounods „Faust“. Arrigo Boitos Oper „Mefistofele“, die auch bei den Pfingstfestspielen im Festspielhaus Baden-Baden zu sehen sein wird, findet sich eher selten auf den Spielplänen wieder. Im Gegensatz zu den anderen Faustopern integriert Boito im vierten Akt auch die klassische Walpurgisnacht aus Faust 2 und umrahmt die Oper mit dem Prolog im Himmel und einem Epilog in Fausts Studierstube.

Das Theater Freiburg überzeugt mit "Mefistofele"
(c) Maurice Korbel 2016

Vor allem aber stellt er nicht nur im Titel Mefistofeles in den Mittelpunkt. Am Freiburger Theater ist der Verführer schon lange vor seiner Auftrittsarie auf der Bühne. Mit seinen schwarzen Klamotten, dem Nietengürtel, der schweren Halskette und der E-Gitarre um die Schulter sieht Jin Seok Lee eher aus wie ein Rocker. Er lungert auf der schäbigen Couch herum, hört sich schlechtgelaunt die Klänge der auf die Bühne gefahrenen Harfe an oder flirtet mit der Dame in Hotpants, die unentwegt unter der Discokugel mit dem Hintern wackelt. Laut Libretto befinden wir uns im Himmel. Zumindest das Philharmonische Orchester Freiburg unter der Leitung von Fabrice Bollon und der Chor und Extrachor des Theaters sowie Studenten der Freiburger Musikhochschule stimmen das große Pathos an, das Boito fordert. Die Regie konterkariert es bewusst. Und lässt es erst gar nicht dazu kommen, dass ein existentielles Spannungsfeld aufgebaut wird.

Regisseur Ludger Engels und sein Ausstatter Ric Schachtebeck spielen mit Versatzstücken. Eine Treppe als Engelstribüne und glitzernde Showtreppe, ein Büchertisch als Fausts Studierstube. Marilyn-Monroe-Perücken, die an- und wieder abgelegt werden. Artisten turnen, rosa Luftballons fliegen. Der Kinderchor schmeißt Konfetti. Was der Abend erzählen möchte, bleibt vor lauter ironischen Brechungen unklar.

Musikalisch sind die Aussagen dezidierter. Das Philharmonische Orchester Freiburg zeigt sich transparent und punktgenau. Fabrice Bollons Interpretation geht an beiden Rändern bis in die Extreme. Ekstatisch und sphärisch, vehement und fragil. Jin Seok Lee verfügt mit seinem kernigen Bass über genügend Durchschlagskraft, um Mefistofeles die notwendige Wucht zu geben. Die Eleganz verliert er dabei aber nie. Martin Muehle teilt sich als Faust seine Kräfte gut ein und besticht bis zum Epilog mit leuchtendem Timbre und unangestrengter Höhe. Nur Sandra Janusaité als stimmgewaltige Margherita/Helena trägt zuweilen etwas zu dick auf. Ihrem dramatischen, stark metallisch gefärbten Sopran fehlen Wärme und Nuancen. Aber im vierten Akt als Helena begeistert die Litauerin mit großer Tiefe und enormer Tragfähigkeit. Silvia Regazzo (Marta/Pantalis) und Christoph Waltle (Wagner/Nero) sind auch darstellerisch präsent und sichern die hohe Qualität des Solistenensembles.

Am Ende ist Faust wieder in seinem Studierzimmer. Und wartet auf der mit Treppe, Tisch, Harfe und Couch zugestellten Bühne auf seine Erlösung. Vergeblich.

Weitere Vorstellungen: 12./21.2., 17./24.3., 24.4., 13./27.5., 2./11.6.2016.

Georg Rudiger