Das Glück im Spiel

In Hölschers/Hammers/Scheerers Inszenierung von „Fanny und Alexander“ treffen im Theater Freiburg Welten aufeinander

Fanny und Alexander Foto: Maurice Korbel

Der Schlussapplaus ist die eigentliche Familienaufstellung der Ekdahls. Nicht unbedingt flüssig choreografiert, dafür mit Eigenheiten und der Grandezza der Prinzipalin. Und so versammelt sich das Ensemble vor dem Eisernen Vorhang und nimmt gleich vor Beginn der eigentlichen Vorstellung die Huldigungen des Publikums im Theater Freiburg entgegen.

Diese Familie ist nur dann richtig glücklich, wenn sie spielt und Julia Hölschers, Martin Hammers und Susanne Scheerers Inszenierung von Ingmar Bergmans Filmklassiker „Fanny und Alexander“ zieht konsequent die Theatermetapher herbei, um zu verstehen, was die Ekdahls im Innersten zusammenhält. Das Regieteam, das auch die Ausstattung verantwortet, setzt die Drehbühne des Großen Hauses so ein, dass man glaubt, es mit einer Menagerie zu tun zu haben, die im Um-Sich-Selbst-Kreisen dennoch dem Weltenlauf entspricht. Auf dem Ring, der das mit Kunstschnee versehene Innere der Drehbühne umgibt, stehen mehrere Vintage-Sessel und Stehlampen, schlanke Birken und selbst ein Turngerät. Über allem hängt ein großbürgerlicher Kronleuchter, der sanft auf die kleinen und größeren Betrügereien und Illusionen der Ekdahls scheint. Da hintergeht Gustav Adolf (Daniel Wahl) seine Frau (Iris Melamed) mit dem agilen Dienstmädchen Maj (Lena Drieschner) und sein Bruder Carl (Mathias Lodd) gefällt sich in selbstzerstörerischen Gemeinheiten gegenüber seiner Ehefrau Lydia (Nicole Reitzenstein). Während sich die Prinzipalin Helene (Dagmar Schwarz) zusammen mit ihrem Hausfreund Isak Jacobi (Frank Albrecht) an stürmischere Zeiten erinnert. Die Fantasie, die dem Geschwisterpaar Fanny (Selina Junghans) und Alexander (Johannes Sima) durch das Alter zufällt, lässt sich bei den Erwachsenen durchaus als Weltflucht verstehen.
Als Oskar Ekdahl (Konrad Singer) unerwartet mitten in einer Probe zu Hamlet stirbt, ist das ein größerer Einschnitt als die Übernahme der Leitung des Theaters durch seine Frau Emilie (Stephanie Schönfeld) erst einmal vermuten lässt. Der immer ein wenig unbestimmt bleibende, tändelige Oskar wird privat ausgerechnet durch den hagestolzen Bischof Edvard Vergerus (Ben Daniel Jöhnk) ersetzt. Dass Emilie bei ihrem Eintritt in den neuen Haushalt ihr smaragdgrünes bodenlanges Abendkleid gegen eine biedere hautfarbene Rock-Bluse-Kombination eintauschen muss, ist nur eine der Zurichtungen des strengen Protestantismus, der bei Vergerus herrscht. Das Regieteam Hölscher/Hammer/Scheerer erzählt davon in suggestiven und nicht minder psychologischen Bildern. Es ist vor allem die kranke Elsa Bergius, die sich diesem ritualisierten Tages-ablauf mit seinen Kniebeugen und freudlosen gemeinsamen Mahlen, durch konvulsivische Zuckungen und sexuelle Attacken widersetzt. Und die Gewalt, die der immer ein bisschen schief gehende Vergerus gegenüber Alexander ausübt.
„Fanny und Alexander“ ist in der zweistündigen Inszenierung des Theater Freiburg ein Drama über die Angst vor der Freiheit. Johannes Simas Alexander symbolisiert eine Freiheit von allen Zwängen, die sich noch nicht in der Wirklichkeit bewähren muss. Hölschers/Hammers/Scheerers Regie setzt auf genaue Personenzeichnungen, die sich vor allem im Konflikt zwischen dem ungleichen Paar Emilie und Edvard und der herausragenden schauspielerischen Leistungen ihrer Darsteller bewährt. Wenn am Ende die Familie Ekdahl wieder vereint ist, bleibt ihr nur noch ein Podest von der Größe einer Eisscholle. Was die Inszenierung entfacht, ist von der Theatralität einer Laterna magica, das ist mitunter ein wenig routiniert, doch entfaltet im Großen Haus seine bestechende Wirkung.
Weitere Vorstellungen: 17./ 23. November, 15. Dezember, Theater Freiburg.
Annette Hoffmann