Abenteurer und Forschungsreisender

Bruno Baumann: Schriftsteller, Filmemacher und Abenteurer
Bruno Baumann: Schriftsteller, Filmemacher und Abenteurer

Der in München lebende Österreicher Bruno Baumann gehört zu den seltenen Exemplaren der Spezies Mensch, die von der breiten Masse – zumeist mit einer Mischung aus Neid und Hochachtung – als Grenzgänger bezeichnet werden. Dafür steht unter anderem die Durchquerung des sandigen Herzstücks der Wüste Gobi, die er 2003 als erster Mensch im Alleingang bewerkstelligte…

Seinen Ruf als Abenteurer und Forschungsreisender untermauerte Baumann mit zahlreichen anderen Unternehmungen wie der Durchquerung der Wüste Takla Makan in China (1989), Erstbesteigungen im Tibesti-Gebirge im Tschad (1993), einer Transhimalaya-Überquerung (1997) oder der Erstbefahrung des Sutley-Canyons in Tibet mit Wildwasserschlauchbooten (2004). Durch Bücher, Filme und Vorträge bietet er dem Publikum die Möglichkeit, an seinen Erlebnissen teilzuhaben. So auch in Freiburg, wo Bruno Baumann am 7. Februar mit seinem Diavortrag „Asien – Auf den Spuren des Buddha“ im Rahmen der Mundologia zu sehen sein wird. Claus Weissbarth sprach mit Bruno Baumann.

Kultur Joker: Herr Baumann, wenn man sich mit ihrer Vita beschäftigt, fällt auf, dass es Ihnen vor allem die Wüsten angetan haben. Was fasziniert Sie an diesen kargen, lebensfeindlichen Landschaften?

Baumann: Am Anfang hat mich das auch nicht unbedingt fasziniert. Ich komme ja aus einer Vorzugslage, wo das Wasser aus der Leitung kommt, daher war die Wüste für mich zunächst nur ein Synonym für Durst, Schwitzen und quälende Entbehrungen. Das hat sich Mitte der 80er-Jahre radikal geändert, als ich erstmals am Rande der Flugsandwüste Takla Makan stand, die sich mit dem einladenden Zusatz schmückt: „Wer einmal hineingeht, wird nie mehr zurückkehren“. Diesen Satz empfand ich als Aufforderung und wollte wissen, welche emotionalen und sinnlichen Erfahrungen einen erwarten, wenn man sich einem solchen Sandkasten für Erwachsene aussetzt. Wüsten sind ganz besondere Naturlandschaften, wo es zum Beispiel die Qualität der Stille gibt, die man sonst in keiner anderen Naturlandschaft findet. Man kann ohne jede Störung Gedankenketten fortspinnen und ich habe sehr schnell begriffen, dass die Wüste ein Ort der Reflektion ist. Nicht zufällig sind Propheten früher in die Wüste gegangen, um sich selbst zu erfahren und kosmische Gesetzmäßigkeiten zu erkennen.

Kultur Joker: Ihre Grenzgänge stehen ja auch in Zusammenhang mit einem gewissen Forscherdrang. Was gibt es denn in den Wüsten zu entdecken außer Unmengen von Sand?

Baumann: Eine ganze Menge, denn der Sand hat nicht nur eine alles verschlingende, sondern auch eine unglaublich konservierende Kraft. Wir würden heute von vielen großen Kulturen nichts wissen, hätte der Sand sie nicht konserviert. Das ist in Ägypten ebenso der Fall wie in den großen zentralasiatischen Wüsten, wo sich unter anderem die Spuren der antiken Seidenstraße finden.

Kultur Joker: Bei ihren Abenteuern versuchen Sie auch, immer wieder Grenzen zu überwinden, Dinge zu tun, die vor Ihnen noch niemand geschafft hat. Aus welcher Motivation heraus begeben Sie sich freiwillig in Situationen, die im Extremfall durchaus lebensgefährlich sein können?

Baumann: Aus dem Bewusstsein heraus, dass sich über einen solchen Umweg Erfahrungen machen lassen, die man in einer Komfortzone wie der unseren nicht so einfach machen kann. Wir Menschen sind ja so strukturiert, dass wir unser Potenzial nur dann abrufen, wenn wir unbedingt müssen. Bei meinem Alleingang durch die Wüste Gobi habe ich tatsächlich Grenzen überschritten, aber das war ein ganz bewusster Schritt. Denn Leben heißt nicht nur nehmen, sondern auch geben. Und wenn man einzigartige Lebenserfahrungen machen will, dann funktioniert das nur, wenn man auf gewisse Sicherheiten verzichtet.

Kultur Joker: Überspitzt gesagt, könnte man Sie aber auch als lebensmüde bezeichnen…

Baumann: …aber nur, wenn man es aus einem sehr begrenzten Blickwinkel betrachtet. Ich habe mich ganz langsam über einen Zeitraum von 20 Jahren an diese Grenzen herangetastet, ehe ich den Schritt darüber hinaus gewagt habe. Irgendwie macht das jeder in seinem Leben, denn sonst würde man ja nichts dazulernen. Der Unterschied bestand in meinem Fall darin, dass ich mich in eine Zone begab, die mich existenziell bedrohte. Aber dieses Risiko musste ich eingehen, um ein einziges Mal in meinem Leben alle mir zur Verfügung stehenden Fähigkeiten in der Gleichzeitigkeit leben zu können. Das ist eine fantastische Erfahrung, die mich zeitlebens begleitet und mir Gewissheit darüber gibt, über welche Potenziale ich für den Fall der Fälle verfüge.

Kultur Joker: Welche konkreten Auswirkungen hat ein derart ungewöhnlicher Erfahrungsschatz auf ihre grundsätzliche Einstellung zum Leben?

Baumann: Die sind durchaus vielfältig. Zum Beispiel in Bezug auf das Thema Wasser, wobei zu viel ebenso ein Problem darstellt wie zu wenig. In der Wüste beschäftigt man sich damit nicht nur auf intellektueller Ebene, sondern begibt sich quasi auf einen Selbsterfahrungstrip, der sich weitaus nachhaltiger auswirkt. Gerade in einer Situation des Mangels wird klar, welche Dinge essentielle Bedeutung haben und was weniger wichtig ist. Dinge, die wir eigentlich als selbstverständlich erachten, bekommen so einen ganz anderen Stellenwert. Es bleiben auch Qualitäten wie die Geistesgegenwart, das Bewusstsein, sich im Hier und Jetzt zu bewegen, denn die Gegenwart begründet die Zukunft und nicht umgekehrt. Oder auch die Erkenntnis bezüglich unserer emotionalen Intelligenz – einer Wissensquelle, die ursprünglich jeder von uns hatte, die wir aber wie ein nutzlos gewordenes Organ abgeworfen haben. Wir sind zwar Weltmeister im logischen und analytischen Denken, aber darüber hinaus ist uns die Intuition verloren gegangen, ohne die man in der Wüste nicht überleben kann.

Kultur Joker: Letzten Endes geht es Ihnen nicht allein um das reine Abenteuer. Was wollen Sie ihren Lesern und Zuhörern mit ihren Büchern, Vorträgen und Filmen vermitteln?

Baumann: Vor allem eine gewisse Wertschätzung für die Natur und die wenigen Freiräume, die es auf der Erde noch gibt. Daneben geht es mir sehr stark um die kulturelle Ebene. Ich begreife mich ein wenig als Kultur-Botschafter und versuche zwischen den Welten zu vermitteln.

Kultur Joker: Bei ihrem Vortrag in Freiburg begeben Sie sich auf die Spuren des Buddhismus. Welche Beziehung haben Sie im Lauf der vergangenen Jahrzehnte zur Lehre Buddhas entwickelt?

Baumann: Ich bin nicht zum Buddhismus konvertiert, aber der historische Buddha als Mensch – nicht als über dem Boden schwebender Heiliger – hat mich interessiert. Ich wollte wissen, was dieser Mann vor 2.500 Jahren gedacht hat, was innovativ an seinem Denken war und was dazu geführt hat, dass seine Lehren auch heute noch als geistige Orientierung dienen. Bei meinen extremen Erlebnissen, vor allem in der Wüste, hatte ich mehrfach das Gefühl, dass ich mit bestimmten Einsichten des Buddha in sehr eindringlicher Weise in Berührung geriet. Besonders in puncto Selbsterkenntnis oder der radikalen Forderung nach Selbstverantwortung. Dadurch ist meine Wertschätzung für die buddhistische Ethik, die in der Einschätzung gründet, dass all unsere Handlungen unmittelbare Auswirkungen auf Dritte haben, enorm gestiegen. Was passiert, wenn man dies nicht beachtet, kann man ganz aktuell an der momentanen Wirtschaftskrise ablesen. Da verlieren Menschen ihren Job, obwohl sie mit den Bankern, die die Krise verursacht haben, rein gar nichts tun haben.

Kultur Joker: Glauben und Religion nehmen nicht nur in Tibet, sondern im gesamten asiatischen Raum ja einen ganz anderen Stellenwert als in unserer materiell geprägten Gesellschaft ein…

Baumann: …wo der Glauben zu einer Art Buchhaltung der Seele verkommen ist und nur noch als Ritual betrieben wird. Dagegen ist die Qualität des Glaubens in Asien eine ganz andere und steht in untrennbarer Verbindung mit dem Alltag. Verbote und Unterdrückung führen dazu, dass die Orientierung an der Religion sogar noch stärker wird.

Kultur Joker: Würden Sie sagen, dass die Menschen im Buddhismus glücklicher leben, als der durchschnittliche Westeuropäer?

Baumann: Je weniger Bedürfnisse ein Mensch hat, desto häufiger gelingt es ihm, all seine Bedürfnisse zu erfüllen und dadurch glücklicher und zufriedener zu sein. Bei uns gibt es ja eine ganze Industrie, die nur dazu da ist, möglichst viele Bedürfnisse zu schüren. Von daher haben Menschen mit weniger Bedürfnissen grundsätzlich einen Vorteil gegenüber jenen, die sich diesbezüglich am westlichen Standard orientieren.

Kultur Joker: In ihrem Vortrag „Asien – Auf den Spuren des Buddha“ zeichnen Sie ein Bild der Gegenwart im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne. Können Sie dieses Bild konkretisieren?

Baumann: Damit umzugehen, bildet für viele asiatische Völker die ganz große Herausforderung unserer Zeit. Zwar haben sich auch dort im Lauf der Jahrhunderte Veränderungen ergeben, jedoch viel langsamer als bei uns. Seit ca. 50 Jahren kommt nun in rasender Geschwindigkeit die Moderne und wirft ganz neue Fragen auf, die sich auf traditionelle Art und Weise nicht beantworten lassen. Deshalb müssen sie eine neue Synthese finden, die Tradition und Kultur mit der Moderne vereint.

Kultur Joker: Eines ihrer Hauptanliegen besteht darin, den Dialog zwischen den Kulturen zu intensivieren. Vor diesem Hintergrund haben Sie das Projekt „Roads of Dialogue – Silkroad Project 2010“ ins Leben gerufen, das sich auf den multikulturellen Geist der Seidenstraße bezieht. Welche Hoffnungen sind damit verbunden?

Baumann: An diesem Dialog führt gar kein Weg vorbei, weil ihn schon die globalen Probleme der Menschheit einfordern. Fortschritte, beispielsweise bei Maßnahmen gegen den Klimawandel, lassen sich nur erzielen, wenn alle Länder gemeinsam vorgehen. Denn globale Probleme, dazu zähle ich auch die vielen religiösen Konflikte, lassen sich logischerweise nur auf globaler Ebene lösen.

Kultur Joker: Sie äußern die Hoffnung, dass eine neue Seidenstraße als Verbindungsstrang zwischen Europa und Asien entstehen könnte.

Baumann: Mich interessiert vor allem die Frage, ob die antike Seidenstraße Schnee von gestern ist, oder ob es da auch Dinge gibt, die für uns heute noch große Relevanz haben könnten. Wenn man die Seidenstraße aus einer modernen Sichtweise heraus neu interpretiert, kann man durchaus zu dem Schluss kommen, dass sie das erste Beispiel von Globalisierung auf diesem Planeten war. Immerhin begegneten sich dort vor 2.000 Jahren alle damaligen Weltkulturen von der mediterranen über die griechisch-römische und persische bis hin zur indischen und chinesischen. Es wurde ein Austausch betrieben, der sehr befruchtend und von Inspiration geprägt war, sodass letzten Endes alle Beteiligten einen Mehrwert davontrugen.
Demgegenüber stellt sich die Frage, warum die moderne Globalisierung diesen Mehrwert nicht liefert und so vielen Menschen zurecht Angst macht. Und wenn man noch genauer hinschaut, erkennt man, dass der Austausch auf der Seidenstraße weit über den Handel hinausging und auch die kulturelle wie die religiöse Ebene einbezogen waren, während sich der Austausch heutzutage einzig und allein auf die Ökonomie begrenzt. Daher war der Dialog damals weitaus umfassender und nachhaltiger als in der heutigen Zeit. Religiöse Konflikte und kulturelle Zusammenbrüche ließen sich so eindämmen oder gar völlig vermeiden.

Kultur Joker: Welche konkreten Aktivitäten sind geplant, um dieses Ansinnen publik zu machen?

Baumann: Im neuen Jahr wird sich in einer spektakulären Aktion eine internationale Kulturkarawane, bestehend aus Künstlern, Sportlern und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, von Hamburg aus Richtung Shanghai aufmachen, um diesen Dialog nicht nur intern, sondern auch an diversen externen Schauplätzen vorzuleben. Endpunkt ist die Expo Shanghai, die größte Weltausstellung, die es je gegeben hat, wo unter anderem „der interkulturelle Dialog als Herausforderung und Chance in der Gegenwart“ zu den wichtigen Themen zählt. Dort wollen wir uns einbringen und Zeichen setzen, auch wenn wir wissen, dass wir die Welt nicht verändern können.

Kultur Joker: Herr Baumann, vielen Dank für das Gespräch…

Auf der Mundologia gastiert Bruno Baumann am:
7. Februar, 16 Uhr, Konzerthaus Freiburg.

Karten und Infos: www.mundologia.de