#2 Schaurige Mythen aus Freiburg: Hexen, Staub und Asche – ein unerklärliches Ereignis auf dem Kandel, 1981

Gehen Sie mit uns auf eine kleine Zeitreise, zurück in das Jahr 1981, zurück in die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai. Es ist Walpurgisnacht. Im ganzen Land machen sich Hexen auf den Weg, um sich beim großen Feuer auf dem Blocksberg zu treffen. Doch wussten Sie, dass der Südwesten einen eigenen „Blocksberg“ besitzt? Seit Jahrhunderten ranken sich Mythen um den Kandel, der wie eine kleine Festung am westlichen Rande des Schwarzwaldes mit mehr als 1200 Metern aufragt. Magische Kräfte soll er besitzen, reine Magie, die den Ort vor bösen Machenschaften beschützen soll und jenen Hexen Kraft verleiht, die die Menschen vor Bösem und manchmal auch sich selbst beschützen sollen.

Die Nacht des 30. Aprils 1981 soll eine besonders kalte gewesen sein. Kurz bevor sich Frühling und Sommer die Hände reichen, hat noch einmal der Winter seine Krallen ausgefahren. Gefrorener Reif überzieht die grünen Wiesen, die die Teufelskanzel, ein Fels unterhalb des Gipfels, umrahmen. Ein Spiel aus Licht und Schatten beginnt, während der Mond immer weiter am Horizont aufsteigt und das Eis gefährlich scharf glitzern lässt.

Leise Schatten treten langsam aus der Dunkelheit und versammeln sich um die Teufelskanzel. Wie von Zauberhand entfacht ein Feuer, um dessen züngelnde Flammen sich die Schatten versammeln. Schulter an Schulter, Hand in Hand. Es sind dunkle Kapuzen, die die Gesichter der Schatten im Schein des Feuers vor unerwünschten Augen beschützen. Augen, die zahlreichen Schwestern dieser Schatten in vergangenen Zeiten das Leben nahmen. Mindestens 400 Seelen wurden in Baden gefoltert, bis sie sich selbst der schwarzen Magie bezichtigten, nur um dann in den Flammen der Scheiterhaufen qualvoll zu verbrennen. Haar für Haar, Haut um Haut schmolzen dahin. Ihre Schreie klingen noch immer nach und besonders dann, wenn das Feuer der Walpurgisnacht entfacht, könnten manche beschwören, sie würden die Augen ihrer verlorenen Schwestern im Licht des Feuers sehen.

In dieser Nacht, im Jahr 1981, scheint alles anders zu sein. Eine Energie umgibt den Kandel. Energie, die Unheilvolles ankündigt, gerade so, dass man erschaudert, aber nicht genug, um wissen zu können, was einen erwartet. Und so beginnt das Ritual in dieser Nacht mit dem Gefühl, dass jeden Moment etwas passieren könnte. Nicht muss, aber könnte. Ein Gefühl, das vielleicht sogar schlimmer ist als die Gewissheit des Bösen. Langsam beginnt der Tanz ums Feuer und ein Flüstern ertönt. Das Flüstern verwandelt sich in Gesang, einem Mantra, das synchron zum Tanz ums Feuer schneller, lauter und mächtiger wird. Energien werden entfacht, deren Anwesenheit die Luft zum Knistern bringt und Funken zwischen den Schatten entfachen lässt. Schatten, die nur noch Schemen sind, die im Tanz und Gesang zu einem gemeinsamen dunklen Kranz aus Licht werden, bis sich auf einmal dieses dumpfe Gefühl des Unheilvollen in donnernde Realität verwandelt.

Ein Schatten springt aus den Reihen, unterbricht den Tanz, reißt die Anderen aus ihrer Trance. Manche wanken, andere fallen zu Boden. Doch nicht dieser eine Schatten, der auf einmal einen Dolch in der Hand hält. Langsam, beinahe andächtig zerschneidet der Schatten seine Handfläche. Rot quillt hervor, während die Hand zu einer Faust geballt und übers Feuer gehalten wird. Eins, zwei, …. noch bevor der dritte Blutstropfen einen mächtigen und bösartigen Zauber besiegeln kann, wird der Schatten vom gewaltigen Beben des Berges zu Boden gerissen. Ein mächtiges Grölen dröhnt durch die Nacht, lässt die Bergspitze erzittern. Auf einmal durchzieht ein leises Knacken die unbeschreibliche Stille, die nach dem Schrei des Berges eingesetzt hat. Staub und Steine ergießen sich über dem Feuer und sind doch nur die Vorboten des gewaltigen Felses, der nun auf den Schatten zurollt, der noch immer den Dolch in der Hand hält… Staub, Stein und Asche. Mehr ist nicht übriggeblieben. Der Schatten und sein Dolch sind verschwunden.

Am nächsten Tag finden Arbeiter:innen einen unerklärlichen Schauplatz vor. Die Teufelskanzel ist abgebrochen – ein Erdstoß konnte nach seismologischen Untersuchungen ausgeschlossen werden. Doch einige Tage später machen Arbeiter:innen einen merkwürdigen Fund im Schutt und der Asche des Felsens: einen Besen…

Bildquellen

  • Hexen, Staub und Asche: Kandel, 1981: Foto: cottonbro via Pegels