„Wir lassen Euch nicht gehen“

2500 Demonstranten und 7 Redner fordern auf dem Freiburger Rathausplatz den Erhalt des SWR-Sinfonieorchesters

Tag der Musik. Wie jedes Jahr präsentieren sich Musikvereine an einem Samstagmorgen in der Freiburger Innenstadt. Am Brunnenplatz spielt die Akkordeon-Gilde Freiburg. Dann greift ein Ensemblemitglied zum Mikrofon und teilt den Zuhörern mit, dass am Nachmittag eine Kundgebung für den Erhalt des SWR-Sinfonieorchesters stattfindet. Das Orchester sei ungemein wichtig für die Region. Das müsse man unterstützen.

Wenige Stunden später auf dem Rathausplatz. Rot-gelbe Fähnchen, Aufkleber und Liedzettel werden verteilt – die Stimmung ist heiter und erwartungsfroh. Statt der erwarteten 300 Teilnehmer sind rund 2500 zur Kundgebung gekommen, darunter auffällig viele junge Leute.

Kabarettist Matthias Deutschmann führt durch das Programm, das aus sieben kurzen Reden und einigen musikalischen Beiträgen besteht. Und schickt ein deutliches Signal aus Freiburg nach Stuttgart, dem Sitz des Südwestrundfunks: „Der Zug ist nicht abgefahren. Es geht ja jetzt erst richtig los.“ Dabei ist die Kundgebung frei von jeder Stimmungsmache. Sprechchöre gibt es gar keine. Aus den hinteren Reihen sind „Lauter, lauter“-Rufe zu hören, weil man jedes Wort verstehen möchte.

Rüdiger Nolte eröffnet den Redereigen. Der Rektor der Freiburger Musikhochschule wundert sich über das Stuttgarter „Bedürfnis nach Ruhe und Störungsfreiheit“ in Sachen Orchesterfusion. Kunst sei grundsätzlich verstörend. „Nur eine störungsfreie Kunst ist verzichtbar.“ Außerdem fordert Nolte ein klares Bekenntnis der Stadt und des Landes zur Region Freiburg als Musikstandort. Dass sich kein Vertreter der Stadt Freiburg gefunden hat, um auf der Kundgebung zu sprechen, fällt auf. Sicherlich ist die Situation nicht einfach, weil die Stadt mit dem Philharmonischen Orchester Freiburg bereits ein eigenes Orchester finanziert. Oberbürgermeister Dieter Salomon hatte die Fusion schon im Herbst bei einer Pressekonferenz, als es noch um die Standortfrage ging, ohne Wenn und Aber akzeptiert. „Wo ist Salomon?“, rufen denn auch einige Demonstranten.

Immerhin ist mit Fabrice Bollon der Generalmusikdirektor des Freiburger Philharmonischen Orchesters gekommen. Und betont im Gespräch mit Deutschmann das gute Verhältnis zwischen den beiden Ensembles, weist aber auch darauf hin, dass die finanziellen Töpfe der Orchester unterschiedliche sind.

Hans-Jochen Schiewer, Rektor der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, sieht in der Exzellenz und der internationalen Ausstrahlung die Verbindung zwischen dem Orchester und der Universität. Als Neumitglied des Rundfunkrats betont er, dass der Fusionsbeschluss eine Öffnungsklausel habe, so dass durchaus Grund zur Hoffnung bestehe. Dem Vernehmen nach soll bei einem Teil des Rundfunkrats gerade ein Umdenken stattfinden. Einige Mitglieder fühlen sich im Nachhinein von der Intendanz überrumpelt.

Je mehr Informationen über die Hintergründe und die zukünftigen Planungen ans Licht kommen, desto fragwürdiger erscheint ihnen die Entscheidung, zumal sich auch seit dem Fusions-Beschluss vom September 2012 einige Dinge geändert haben wie die Tatsache, dass das fusionierte Orchester wahrscheinlich nur 70 statt der erwarteten 90 Konzerte geben könnte und sich die Einnahmesituation des Senders im laufenden Jahr wohl günstiger präsentiert als erwartet.

Die Redner haben jedenfalls alle das Gefühl, dass die Entscheidung für die Fusion eine politische war, mit der vor allem Stuttgart gestärkt werden sollte. „Wir haben ein Recht auf ein Spitzenorchester für die Region zwischen Basel und Mannheim, in der 4 Millionen Menschen leben“, sagt Arno Bohn, Vorsitzender des Orchesterfreundeskreises, kämpferisch. „Wir wollen das Orchester retten. Dafür brauchen wir den Intendanten, den Rundfunkrat, den Verwaltungsrat, das Parlament, die Stadt Freiburg – und Sie alle, die Sie gekommen sind.“

Fritz Keller, Präsident des SC Freiburg, formuliert den neu erwachten Kampfeswillen der Freiburger am deutlichsten: „Finger weg von unserem SWR-Sinfonieorchester. Wir lassen Euch nicht gehen. Der Sport ist bei Ihnen.“

Am Ende stimmt ein aus Freiburger Studentinnen und Studenten gebildetes Orchester die Melodie von Beethovens Ode an die Freude an, die die 2500 Demonstranten mit einem neuen Text versehen. „Freunde guter Weltorchester, Töchter des Orpheus, unser Wille wird noch fester, Fusion ist da kein Muss, Perspektiven gibt es wieder, wenn ein jeder sich bemüht, das SO und wir sind Brüder, und ein Abgesang verfrüht!“, ist da zu hören.

Mit Reimen und Tönen wirbt man für das von Friedrich Schoch bereits im Detail entwickelte Stiftungsmodell. Denn: „Orpheus brachte Stein zum Weinen, mit Musik und Sympathie, Politik wächst nicht aus Steinen, sie blüht nur mit Phantasie!“ Ein besonderer Tag der Musik in Freiburg, der beim SWR, der Landesregierung und der Stadt Freiburg wohl nicht mehr auf taube Ohren stoßen kann.

www.stiftung-so.de

Georg Rudiger

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