Zeitlose Raumfülle des Lichts

Neues von Triptic – Kulturaustausch am Oberrhein

Austellungsansicht Raum 3; Foto: Ursula Sprecher; Abgebildete Arbeit: Carlos Cruz-Diez: "Chromosaturation", 1965-2013 copyright: VG Bild-Kunst, Bonn 2013

Ich trete ein und schon bin ich umflutet von warmem, blauem Licht. Es fühlt sich ein bisschen an wie unter Wasser, nur dass ich hier frei atmen kann – wie untergetaucht und gänzlich der Zeit enthoben, in der ich mich eben noch bewegt hatte. Aus dem angrenzenden Raum schwappt rotes Licht herüber, in das ich nun voller Erwartung eintrete, um mich von ihm genussvoll einlullen zu lassen. Nur widerwillig gehe ich weiter und werde in atmosphärisches Grün gehüllt. Mit erfrischten Sinnen entlässt mich die Installation „Chromosaturation“ (2010) von Carlos Cruz-Diez wieder in die Wirklichkeit.
Wie intensiv und direkt sich Licht in Kombination mit Farbe auf die Psyche auswirken kann, lässt sich in der Ausstellung „Lightopia“ im Vitra Design Museum Weil am eigenen Leib erfahren. Doch ist dies nur einer von vielen Aspekten, beziehungsweise Spektren des Lichts in Architektur, Design und Kunst, die die Ausstellungsmacher in bisher nie dagewesener Fülle und einem optisch wie wissenschaftlich vortrefflich aufbereiteten Katalog präsentieren.
Darunter erstmals zahlreiche Design-Ikonen aus der Leuchtensammlung des Museums, etwa von Wilhelm Wagenfeld, Achille Castiglioni, Gino Sarfatti und Ingo Maurer. Zudem Leuchtkörper, die zu kunstvollen Lichtgebäuden oder -gefäßen werden; zum Beispiel die beiden Schreibtischlampen „Emil & Clara“ (2010) von mischer’traxler, die durch den vermeintlichen Lichtstrahl einer Lichtröhre miteinander verbunden sind.

Auch andere Exponate veranschaulichen die performative Kraft inszenierten Lichts, so der berühmte „Licht-Raum-Modulator“ von Lászlo Moholy-Nagy aus den 1920-er Jahren sowie Entwürfe heutiger Designer und Künstler wie u.a. Olafur Eliasson, Troika, Chris Fraser, Dan Roosegaarde, Joris Laarman oder realities:united.
Seit jeher war das Licht als Medium für die Kunst von großem Interesse. Doch nie zuvor ließ sich seine Symbolkraft mit technischen Mitteln derart geballt inszenieren wie heute, da einzelne Bauwerke oder ganze Städte für Besucher und Bewohner lichttechnisch in den Fokus gerückt werden, um ihnen den Anschein des Besonderen zu verleihen. Inszenierte „Lichtlandschaften“ sind es auch, die – ausgehend von der Ausstellung „Lightopia“ und in Kooperation mit dem Haus der elektronischen Künste Basel, der La Filature Mulhouse und dem Literaturhaus Basel – in die ganze Region ausstrahlen und eindrucksvoll die alle Grenzen ignorierende Kraft des Lichts an verschiedenen Orten der Region demonstrieren; sei es an Fassaden, im öffentlichen Raum oder als Lichtkunst.
Licht lässt sich zwar bündeln, aber nicht einschließen. In seiner abstrakten Flüchtigkeit und Immaterialität ist es nicht greifbar und auch kaum begreifbar. Doch lassen sich durch die Kunst des inszenierten Lichts jene ›freiheitlichen‹ Eigenschaften, die sich auch im Ausstellungstitel „Lightopia“ widerspiegeln, auf uns übertragen, die wir Zeit und Raum im momentanen Erleben des Hier und Jetzt nur noch als abstrakte Größen erfahren, ohne Sinn und Bedeutung. So wird bereits der Augenreiz zur Erleuchtung. Allein dies kann ungemein befreiend wirken.

„Lightopia“, noch bis 16.03.2014, Vitra Design Museum, Weil am Rhein. Vom 10. bis 20. Januar erforscht im Vitra Design Museum die Multimedia-Installation „N Polytope“ des kanadischen Künstlers Chris Salter die zeitliche Dynamik von Licht im räumlichen Zusammenspiel von Klang. Am 12. Januar eröffnet zum Thema um 18 Uhr eine Ausstellung von Bianca Hildenbrand und Sarina Scheidegger in Hek@Keck Kiosk, Kaserne Basel (geht bis 30. März). Eine Führung durch die Ausstellung „Lightopia“ diente bereits mehrfach als Auftakt zu einer Exkursion zu La Filature. So auch wieder am 25. Januar, wenn dort um 15 Uhr 100 Roboterhasen in einer komplexen Choreographie aus Musik, Licht und Bewegung eine Oper aufführen (30,-Euro/Person: events@design-museum.de).

Anima Trianguli – ein trinationales Musikprojekt zum Humanismus am Oberrhein
Um Freiheit oder zumindest um Persönlichkeitsentfaltung geht es auch in diesem Projekt. Dafür steht gewissermaßen auch die Zahl Drei, der in diesem Projekt eine besondere Bedeutung zukommt: Das Dreiländereck gilt bekanntlich als Wiege des Humanismus, geradezu symbolisch repräsentiert durch die Bibliothek des Beatus Rhenanus in Sélestat. Mit jenem, Erasmus von Rotterdam und Johannes Reuchlin hat das trinationale Musikprojekt „Anima Trianguli“ (übersetzt: „Geistiges Dreieck“) drei bedeutende Vertreter des Humanismus ausgewählt, um diese Kulturepoche in einer Mischung aus Konzert, Lesung und Podiumsgespräch wiederaufleben zu lassen.
Neben den drei Protagonisten und deren drei Wohnorten Sélestat, Basel und Pforzheim, befassen sich die drei Auftragskompositionen von Mark Andre, Hans Thomalla und Katharina Rosenberger an drei Abenden mit Konzerten, Lesungen und Diskussionen mit dem Humanismus.
Abgerundet werden die Veranstaltungen durch Podiumsdiskussionen über die Rolle des Humanismus in der Kulturregion am Oberrhein damals und heute.

16.1.2014, Gare du Nord Basel, 20 Uhr; 24.1.2014, Eglise Sainte-Foy de Sélestat, 20 Uhr; 29.1.2014, Schlosskirche Pforzheim, 20 Uhr / mit Sonderöffnung des Museums Johannes Reuchlin, 15-20 Uhr.
Friederike Zimmermann