Wie kommt die Kunst ins Buch?

Im Gespräch: Dieter Weber, Modo Verlag

„Wir bringen Kunst in Bücher“, lautet die Losung von modo, einem der wichtigsten Kunstbuchverlage im Südwesten Deutschlands mit Sitz in Freiburg. Anlässlich des 20-jährigen Verlagsjubiläums wollte Friederike Zimmermann von Dieter Weber wissen, was modo als Kunstbuchverlag so besonders macht und wie es dazu kam.

Kultur Joker: Herr Weber, wie kommt bei modo die Kunst ins Buch?

Dieter Weber: Mit dem Zustandekommen unserer Bücher, das sind in erster Linie Künstlermonografien, ausstellungsbegleitende Publikationen und Texte zu Themen der Bildenden Kunst und Philosophie, sind jeweils immer mehrere Menschen befasst. Die Künstlerinnen und Künstler natürlich, Museumsleute, die Autoren und Übersetzer, Fotografen, Buchgestalter, Drucker und Buchbinder. Es ist jeweils ein Prozess über Wochen und Monate, der die intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten fordert, um gute Bücher zu erarbeiten. Meine Aufgabe als Verleger und verantwortlicher Hersteller ist, alle Bereiche erfolgreich zusammenzuführen.

Von 1978 bis 2004 führte Dieter Weber in Freiburg eine Druckerei, im November 1997 wurde der modo Verlag gegründet. Vor acht Jahren kam der Kunsthandel dazu. Seitdem veranstaltet modo neben den Buchvorstellungen auch Ausstellungen, Lesungen und ab und an sogar einen Filmabend.

Kultur Joker: Angefangen haben Sie 1968 bis 1972 als Drucker. Nach sechs weiteren Jahren machten Sie sich mit einer eigenen Druckerei selbständig. Was veranlasste Sie damals den Schritt von der Druckerei mit Verlag zum Kunstbuchverlag zu vollziehen?

Dieter Weber: Es gab in jenen Jahren wenige Verlage im Südwesten, die sich auf das Thema der zeitgenössischen Kunst eingelassen haben. Ich hatte damals schon viele Kontakte zu Künstlerinnen und Künstlern und entsprechenden Institutionen. Viele sprachen mir auch Mut zu, mich in diesem Bereich zu engagieren und zu spezialisieren. Es war auch mein ganz persönliches Interesse an der Bildenden Kunst und an der engen Zusammenarbeit mit den Künstlern bei der Erarbeitung der Publikationen.

Kultur Joker: Seitdem erhielten Sie für Ihre Kunstbücher etliche Auszeichnungen und Preise. Welche?

Dieter Weber: Auszeichnungen für Bücher werden in Deutschland und der Schweiz von den Buchhändler- und Verlegerorganisationen oder von Institutionen, die sich mit guter Gestaltung befassen, vergeben. Ausgezeichnet werden hier nicht nur Verleger, sondern alle, die am Zustandekommen der Bücher teilhaben: Gestalter, Hersteller und Druckereien/ Buchbindereien. 2005 wurde eine sehr kleinformatige Publikation der Fotografin Barbara Hartmann, die das Schicksal von 12 Frauen aus Srebrenica fotografisch dokumentiert, mit dem Österreichischen Designpreis ausgezeichnet. In den Jahren danach erhielten wir immer wieder Auszeichnungen für unsere Bücher. Zuletzt eine Nominierung für den Deutschen Fotobuchpreis.

Kultur Joker: Welches waren die bislang wichtigsten Publikationen auf Ihrem Weg?

Dieter Weber: Jeweils die gerade in Arbeit befindliche Publikation ist am Wichtigsten. Die Zeit der Herstellung bis hin zum fertigen Buch ist immer von großer Anspannung gezeichnet. Im Rückblick betrachtet gibt es natürlich Bücher, deren Existenz für mich als Verleger nachhaltig bedeutsam sind. Zum Beispiel die Publikation „in_visible limits“, die im Frühjahr 2017 zu einem deutsch-schweizerischen Ausstellungsprojekt erschien. Projekt und Publikation befassen sich mit Grenzen in der Kunst, Grenzen in der Gesellschaft. Dieses Thema, das auch den aktuellen Diskurs über den gesellschaftlichen Umgang mit Migration und Fluchtbewegungen einschließt, halte ich für sehr wichtig. Grenzen müssen ständig neu bestimmt, austariert oder erweitert werden. Dieses Projekt ist auch Ausdruck einer seit Jahren andauernden, intensiven Zusammenarbeit mit Schweizer Künstler/innen und Kunstinstitutionen.
Große Buchprojekte werden natürlich oft auch von selbst zu wichtigen Publikationen: Etwa die Werkverzeichnisse von Franz Bernhard, Christoph Meckel und Bernd Völkle. In den vergangenen vier Jahren entstanden bei modo auch wichtige theoretische Texte zu Themen der Kunst, wie „Kunst selbst sehen“ von Angeli Janhsen oder die Bücher von Günter Figal „Unwillkürlichkeit – Essays über Kunst und Leben“ und „Ando – Raum, Architektur, Moderne“.

Kultur Joker: Sie verwalten auch mehrere Künstlernachlässe. Welche sind das im Einzelnen?

Dieter Weber: Ja, das stimmt. Ich verwalte und betreue den Künstlernachlass von Bert Jäger, sowie Teile des „vorgelassenen“ Werkes von Bernd Völkle und habe außerdem das Archiv Kammerer-Luka aufgebaut. Dieser Arbeitsbereich hat sich direkt aus dem Kontext des Kunstbuchverlags ergeben. Zuerst haben wir in allen solchen Fällen mit der teilweise wissenschaftlichen Erfassung der Werke, Erstellung von Werkverzeichnissen und Archivierung begonnen. Mit Bert Jäger war ich lange, bis zu seinem Tod 1998, freundschaftlich verbunden. Wir haben etliche Bücher und Zeitschriften gemeinsam gestaltet. Doch weit darüber hinaus war er für mich auch ein wichtiger Lehrer für das Sehen. Nach seinem Tod ging es mir darum, diesen wichtigen südwestdeutschen Künstler Nachkriegszeit in Erinnerung zu halten. Zur Malerei kam im Jahre 2004 der Fund der Schwarz-Weiß-Negative aus den 1950er und 1960er Jahren. Diese bis dahin weitgehend unbekannten Fotografien führten zu einer Publikation seines fotografischen Werkes. Das Werk von Bernd Völkle und Kammerer-Luka betreuen wir durch Ausstellungen, die Erarbeitung von Werkverzeichnissen und Publikationen bis hin zur Einrichtung und Betreuung der Websites.

Kultur Joker: Damit nehmen Sie nicht nur eine große Verantwortung, sondern auch sehr viel Arbeit auf sich…

Dieter Weber: Da haben Sie recht, aber aus der Beschäftigung mit diesen Themen heraus entstehen dann natürlich auch wieder Ideen und Themen für neue Bücher. Die Frage des Umgangs mit Künstlernachlässen und der Archivierung der großen Anzahl künstlerischer Werke ist für tausende Bildende Künstler, Sammler und Institutionen relevant. „Was tun?“ Das war dann auch die erste Publikation zu diesem Thema, die der Künstlerbund Baden-Württemberg als Dokumentation eines Symposions im ZKM Karlsruhe herausbrachte. Im vergangenen Jahr veröffentlichten wir dann zu diesem Thema ein nächstes Buch von Frank Michael Zeidler, dem langjährigen Vorsitzenden des Deutschen Künstlerbundes, der die Nachlassfrage aus Künstlersicht beleuchtet.

Kultur Joker: Wie muss man sich den komplexen Prozess, ein Kunstbuch von dieser Güte zu gestalten und herzustellen, vorstellen?

Dieter Weber: Über viele Jahre hinweg hat sich bei meinen Kollegen und mir ein großer Erfahrungsschatz gebildet. Wir kennen die Materialien, die Produktionsabläufe und die nötige Qualitätssicherung. Alle Schritte der Produktion von Kunstbüchern müssen unter diesen Aspekten angegangen werden: Fotografie, Lithografie, Farbabstimmung (bei uns, wenn möglich, immer vor dem Original), sicheres Lektorat und Korrektorat. Man braucht die Kenntnis der druck- und bindetechnischen Abläufe. Und vor allen Dingen: Gute Kommunikation und Zusammenarbeit aller am Prozess Beteiligten.

Kultur Joker: Qualität kostet demnach viel Aufwand und Zeit. Aber wie sieht es mit dem Geld aus?

Dieter Weber: Die Güte hängt meist auch von den zur Verfügung stehenden Mitteln ab. Und da sieht es natürlich – wie in vielen Bereichen der Kulturwirtschaft in unserer Stadt und im Land – oft sehr flau aus. Hier gibt es nur wenige Zuschussmöglichkeiten für Künstler, Institutionen und Verlage, wohingegen zum Beispiel die Schweiz für Verlage von 2016 bis 2020 eine staatliche Strukturförderung bereithält.
Ganz allgemein formuliert, spielt bei der Erarbeitung der Kunstbücher auch eine Rolle, in welchem Klima – politisch und kulturpolitisch – wir hier in Freiburg arbeiten können. Beispielsweise hat die Schließung der Außenstelle der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe die Rolle der bildenden Kunst in Freiburg sehr geschwächt.

Kultur Joker: Sie publizieren im Schnitt zirka zwanzig Bücher im Jahr, das sind etwa ein bis zwei Bücher pro Monat. Wie ist das zu schaffen?

Dieter Weber: Die Publikationen entstehen unter unterschiedlichen Bedingungen. Die gesamte Herstellung, Gestaltung, Bildbearbeitung und die Qualitäts- und Produktionsüberwachung liegt bei uns in Freiburg. In manchen anderen Fällen sind Teile dieser Arbeiten von den Auftraggebern schon ausgeführt. Wir arbeiten im Verlag mit vier bis fünf Kollegen. Hinzu kommen Kolleginnen und Kollegen, die frei für modo arbeiten. Mit dieser personellen Situation ist schon sehr viel zu erreichen.

Kultur Joker: Sie sagten einmal, um die Kunst in ihrer Einzigartigkeit im Buch wiederzugeben, müsse man beim Künstler selbst häufig Überzeugungsarbeit leisten.

Dieter Weber: Für uns als Kunstbuchgestalter und -hersteller geht es darum, in der Umsetzung das zu machen, was für die jeweilige Kunst das einzig Richtige ist. Wir haben die Expertise als Kunstbuchgestalter, die Künstler/innen sind Experten ihrer und der Kunst. Das muss aus beiden Perspektiven zusammenkommen. Es ist klar, dass es Unterschiede gibt, wenn ich Fotografie, Videoarbeiten, Malerei oder Skulptur in einem Buch vermitteln möchte. Darüber hinaus versuchen wir immer auf den Kern, das Wesen des jeweiligen Werkes zu kommen.

Kultur Joker: Der Trend zum E-Book geht sicherlich auch am Kunstbuch nicht spurlos vorüber. Wie steht modo zu dieser Entwicklung?

Dieter Weber: Ich meine, dass sich auch in der Zukunft rein digitale Buchformen, und das sehe ich im Besonderen beim hochwertigen Kunstbuch, nicht durchsetzen werden. Das bildhafte Darstellen von Kunst aller Bereiche, teilweise mit qualitativ hochwertigsten Druckverfahren, die Haptik und Unterschiedlichkeit von Papieren, die Typografie, der Bucheinband bis hin zum Gewicht des Mediums und der körperlichen Präsenz des Buches sprechen gegen den Trend. Das digitale Buch unterschlägt all diese Sinneseindrücke. Schwierig ist in diesem Zusammenhang wieder die Frage nach den Kosten dieser Buchproduktionen. Die liegen natürlich in ganz anderen Dimensionen.

Kultur Joker: Und wie finanzieren Sie die doch meist sehr kleinen Auflagen und speziellen Themen Ihres Verlagsprogramms?

Dieter Weber: Die Auflagen fast aller unserer Publikationen sind mit 500 bis 2000 Exemplaren in der Tat eher klein. Meist gibt es Festabnahmen von Auflagen. Wir vertreiben unsere Bücher im deutschsprachigen Raum über zwei Verlagsvertreter. Für die USA und Kanada haben wir für die zweisprachigen Bücher eine Auslieferung. Ein großes Problem ist für uns, wie für viele andere kleinere Verlage im Kunstbereich, dass sich der Buchhandel seit einigen Jahren in der Präsentation von Kunst-, Architektur- und Fotobüchern sehr zurückhaltend verhält. Bei der Finanzierung sind wir daher oft auf die Zuschüsse von institutioneller und privater Seite angewiesen. Den Institutionen stehen aber selbst immer knappere Mittel durch staatliche und kommunale Förderung zur Verfügung.

Kultur Joker: Zu einigen Ihrer Publikationen erscheinen sogenannte Vorzugsausgaben. Was bedeutet dies?

Dieter Weber: Die Vorzugsausgaben sind eine kleine Anzahl von Büchern aus der jeweiligen Auflage (meist Künstlermonografien), die, mit einem Original versehen, erworben werden können. Der Käufer erhält neben dem Buch ein Original oder zum Beispiel eine Druckgrafik des Künstlers zu einem sehr günstigen Preis. Für viele junge angehende Sammler ist dies eine gute Möglichkeit, Originale zu erwerben.

Kultur Joker: Auf welche Bücher dürfen wir uns in der nächsten Zukunft freuen?

Dieter Weber: Die nächsten Bücher aus dem modo Verlag, auf die ich mich besonders freue, sind wieder ein Buch mit Texten zur Kunst: „Angeli Janhsen – Was tun. Künstler machen Vorschläge“ und das Buch „Kunstsache. Künstlergespräche.“, das vom Kunstmuseum Stuttgart herausgegeben wird und eine Gesprächsreihe mit Künstlerinnen und Künstlern der Sammlung Klein dokumentiert. Beide Bücher erscheinen im Frühjahr.

Kultur Joker: Und im Mai gibt’s dann ein großes Verlagsfest… Ich wünsche Ihnen und modo auch weiterhin viel Erfolg. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Die Ausstellung „kunstBUCHaktion“ – 45 Künstlerbücher zum Verlagsjubiläum des modo Verlages“ ist bis 29. April in den Verlagsräumen in der Terlaner Str. 8 in Freiburg zu sehen.

 

 

Bildquellen

  • kultur_joker_2018_interview_dieter_weber_kunsthaendler_verleger_modo_verlag_freiburg: modo Verlag