Opera Factory Freiburg begeistert mit „Fake and Error“ im E-Werk

Zwischen Schwindel und Irrtum

Manche Einakter sind einfach zu kurz, um eine abendfüllende Produktion zu gewährleisten. Deshalb kombinierte die Opera Factory Freiburg die deutsche Erstaufführung von Luke Bedfords Kammeroper „Through his teeth“ (2014) mit Claudio Monteverdis dramatischem Madrigal „Il combattimento di Trancredi e Clorinda“ (1624) in einem intensiven, präzisen und berührenden Opernabend im Freiburger E-Werk.

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Siri Karoline Thornhill und Georg Gädker © Sebastian Düsenberg

Mit  „Fake and Error“, Schwindel und Irrtum, haben die freien Freiburger Opernmacher ihre eindrucksvolle Produktion überschrieben. Hier ein Autohändler, der mit Lügengeschichten Frauen verführt und finanziell ausnimmt; dort der Kreuzfahrer, der erst im Sterben seines Gegners auf dem Schlachtfeld merkt, dass er gerade seine Geliebte getötet hat. Knapp 400 Jahre Musikgeschichte liegen zwischen den beiden Werken. Dirigent Klaus Simon hat die Instrumentalbesetzung von Bedford in seinem sensiblen Arrangement auf Monteverdi übertragen.  Auch in der Erzählstruktur gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den Werken, werden die Geschichten doch durch einen Augenzeugen (Monteverdi) beziehungsweise eine Interviewerin (Bedford) erzählt. Regisseur Hendrik Müller bleibt abstrakt und untersucht mit analytischer Klarheit und kluger Personenführung die Mann-Frau-Beziehungen. Und bringt mit der Kamera von Jonathan Busch, deren Bilder auf eine Seitenwand übertragen werden, noch eine weitere Wahrnehmungsebene ins Spiel: die der Manipulation durch Bilder.

„Through his teeth“ (Lügt wie gedruckt) setzt ein mit einem Gespräch zwischen der Interviewerin (Sirin Kilic) und A. (Siri Karoline Thornhill), einem der vielen Opfer von R. (Georg Gädker). Ihre Erinnerungen werden zu Spielszenen auf der kleinen, schrägen Bühne (Raum und Kostüme: Claudia Doderer). Hier wird verführt. Hier geht es um Lust und Frustration, Abhängigkeit und am Ende auch Gewalt. Luke Bedfords Partitur (Libretto: David Harrower), die von der von Klaus Simon dirigierten Holst Sinfonietta so präzise wie farbig umgesetzt wird, steht ganz im Dienst des dramatischen Geschehens. Die zunehmende Vierteltönigkeit zieht den tonalen Boden unter den Füßen weg und steht für die zunehmende Abgründigkeit.
Mit ihrem schlackenlosen Sopran vermittelt Siri Karoline Thornhill ein vielschichtiges Psychogramm der verführten und betrogenen Frau. Auch Georg Gädker ist mit seinem geschmeidigen Bariton und seiner darstellerischen Wucht ein Täter, der viele Nuancen hat. Mit Sirin Kilic als attraktive Interviewerin, die sich vor allem selbst inszeniert und immer mal wieder ihren Lippenstift nachzieht, ist das großartige Solistentrio komplett. Kilic gestaltet auch die Rolle der besorgten Schwester und eines zweiten Opfers, das zu einem Instrumentalgewitter verrückt wird, beängstigend glaubwürdig. Ob sich die Frauen von dem Verurteilten emotional gelöst haben? Das bleibt offen.

Monteverdis Madrigal nach der Pause hält die emotionale Spannung hoch. Das Schlachtfeld ist hier ein Abendessen, der Rotwein das Blut, das Steak der Körper, der verletzt wird. Auf dem Livevideo kann auch ein Küchenmesser, von unten gefilmt, zu einem Schwert werden. Mit wenig Mitteln schafft die Opera Factory Freiburg aufregendes Musiktheater. Der von der Harfe (Lisa Berg) sensibel begleitete Gesang von Sirin Kilic, die die mit Verzierungen geschmückte große Partie des Zeugen zu einem aufwühlenden Schlachtenbericht macht, steht im Zentrum. Dirigent Klaus Simon setzt die notwendigen Impulse, lässt die Musik atmen und hat auch immer die große Linie im Blick. Am Ende erklingt als Reminiszenz nochmals der sanfte Schluss von Bedfords Oper. Und schließt den berührenden Abend mit einer Frage.

Georg Rudiger