Kunst aus geliehenen Stühlen

Kunstverein Freiburg zeigt Amalia Picas „Katachrese“ – Freiburger Bürgerinnen und Bürger liehen der Künstlerin dafür ihre Stühle

Amalia Picas Ausstellung „Katachrese“ ist eine Ausstellung der Überschneidungen. Vielleicht weil sie mit dem Titel eine Steilvorlage bot. „Katachrese“ leitet sich aus der antiken Rhetorik ab und meint die Übertragung eines Bildes von einem Sinnzusammenhang in den anderen, was zu logischen Brüchen führen kann, die dennoch auf ihre Weise plausibel wirken können.

Im Kunstverein Freiburg gibt es nun keine logischen Brüche, sondern lediglich eine Ablösung. Auf Caroline Käding, die die Ausstellung mit der argentinischen Künstlerin noch kuratiert hat, folgt nun als Leiter des Kunstvereins Freiburg Heinrich Dietz. Und bei der Einführung in die Ausstellung nutzten beide Amalia Picas Installation „Asambled“, um die Arbeit eines Kunstvereins zu veranschaulichen. Denn die beruht darin, zeitgenössische Kunst zu vermitteln und Menschen zusammenzuführen und miteinander ins Gespräch zu bringen. Und auch hier ging Amalia Pica in Vorleistung. Schließlich sind die knapp 40 Stühle, die in der großen Ausstellungshalle die Installation „Asambled“ bilden, Leihgaben Freiburger Bürgerinnen und Bürger.

2015 hatte die argentinische Künstlerin, die 1978 geboren wurde, bereits mit Stühlen gearbeitet. Vor einem Jahr führte sie auf der Plaza del Congreso in Buenos Aires die Performance „Asamble“ durch. Eine große Gruppe griff sich Sitzgelegenheiten und eroberte so den Platz. Man versammelte sich, bildete eine Schlange, formte sich zu einem Kreis und kam miteinander ins Gespräch. Das mag nach einem harmlosen Ringelpiez klingen, bedenkt man jedoch, dass auf der Plaza de Mayo mit großer Beständigkeit Mütter verschwundener Söhne und Töchter gegen die Militärdiktatur zu protestieren begannen, indem sie zu zweit ihre Kreise über den Platz zogen – Stillstehen und Ansammlungen von mehr als zwei Personen waren verboten ‒ ist Picas Arbeit schon nicht mehr ganz so belanglos.

Natürlich muss man im Kunstverein Freiburg nicht für die Unversehrtheit des Lebens und demokratische Grundrechte einstehen. Kunstvereine, die es so nur in Deutschland gibt, sind im Zuge einer bürgerlichen Emanzipationsbewegung entstanden. Der Badische Kunstverein in Karlsruhe etwa wurde 1818 gegründet, der Freiburger neun Jahre später. Doch die unterschiedlichsten Typen der 40 Stühle, die nun mal stehend, mal liegend, eine S-Kurve bilden, sind ein sinnfälliges Symbol einerseits für den Titel der Ausstellung „Katachrese“ und für Kommunikation.

„Cathachresis“ heißen aber auch die Skulpturen, die sich auf der Empore aneinander reihen. Pica hat hierfür verschiedene Objekte miteinander verbunden, was ein bisschen an das surrealistische Spiel des „Cadavre exquis“ erinnert. Da vereinen sich drei Golfschläger mit einem Stück Rohr, in dem eine Kartoffel steckt oder eine Weinflasche mit einem Wischmop, während die zwei Stuhlbeine mitsamt Lehne in zwei schwarzen Schuhen stecken. Der Witz dieser Arbeiten ist ein bisschen bemüht. Aber vielleicht glaubt Amalia Pica auch einfach an den Humor als schnellste Form der Kommunikation.

Amalia Pica, Katachrese, Kunstverein Freiburg, Dreisamstr. 21. Dienstag bis Sonntag 12 bis 18 Uhr, Mittwoch 12 bis 20 Uhr.
Bis 30. Oktober.

Annette Hoffmann