Künstler der russischen Avantgarde

Alexander Rodtschenko – Ausstellung im Musée Unterlinden in Colmar

Alexander Rodtschenko (1891-1956), vielseitiger Künstler der russischen Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Mitbegründer des Konstruktivismus, hat mit seinem Schaffen als Maler, Bildhauer, Designer und Fotograf neue Wege beschritten. Anhand von rund 100 Werken gibt das Musée Unterlinden in Colmar derzeit einen Einblick in die Facetten seiner Produktion, Gemälde, Zeichnungen, Raumkonstruktionen, Fotografien, Architekturprojekte, Werbung und Design.

Leihgeber der in Colmar ausgestellten Werke ist das Moskauer A. S. Puschkin Museum, das 1991 von Rodschenkos Erben den sogenannten „Pariser Werkkomplex“ übernommen hat. Dieser rekonstruiert im Wesentlichen, was der Künstler mitbrachte, als er 1925 zur Internationalen Kunstgewerbe-Ausstellung nach Paris kam, um sich dort im russischen Pavillon zu präsentieren, darunter waren grafische Entwürfe, z.B. für ein Teeservice oder einen multifunktional möblierten „Arbeiterclub“.

Theoretisch wollte Rodtschenko Entdecker sein, Fortschritt und Bildung fördern, die visuelle Kultur erneuern. Sein Kunstverständnis war im Zuge der revolutionären Umwälzungen seit Ende des Ersten Weltkriegs in Europa stark verbreitet; Malewitsch, Kandinsky, Tatlin und Majakowski waren für ihn und seine Frau Warwara Stepanowa zeitweise Weggenossen.

Im Zuge der (bolschewistischen) Neuorganisation von Kunst und Kultur gehörte er dem „Volkskommissariat für Bildungswesen“ an und wurde 1920 Professor an den „Höheren Künstlerisch-Technischen Werkstätten“, um Nachwuchs für die Umgestaltung der Gesellschaft auszubilden. Gewisse ähnliche Ideen finden sich in der Bewegung De Stijl und im Weimarer Bauhaus, mit dem es personelle Überschneidungen gab.

Alexander Rodtschenko plant und entwirft Vieles, etwa Plakate zum Film Panzerkreuzer Potemkin und die Titelblätter der Zeitschrift LEF („Linke Front der Kunst“), der u.a. Tretjakow, Meyerhold und Schklowski angehörten. Mit kühnen Diagonalen, brüsken Schnitten, schematischen Körpern macht er das Tempo der Industrialisierung optisch sichtbar, bringt den Raum in Bewegung; mit hängenden Konstruktionen ersetzt er die traditionellen Materialien der Bildhauerei durch Volumen erzeugende Flächenelemente, die mit Licht und Schatten zu spielen vermögen, dabei Kugeln, Kreise und Ellipsen im Raum ergeben.

Stetig kombiniert er Grafik, Schrift, Fotos und gelangt von der Fotomontage schließlich zur Fotografie, womit der vielleicht „neutralste“ Teil seines Werks beginnt, wenn er z.B. Majakowski oder seine Mutter fotografiert; doch seine Reportage- und Sportfotografien weisen wiederum auf den propagandistischen Aspekt seiner Produktion, die sich im Glauben an die Machbarkeit mitunter verstiegen hat.

Auch wenn es sich sozial anhört, der Künstler solle für „das Leben arbeiten, nicht für die Paläste, Kirchen, Friedhöfe und Museen“ – bekanntlich geriet dabei so Manches unter die Räder, nicht nur die verpönten dekorativen Extras. Zur Ausstellung ist ein Katalog in französischer Sprache erschienen.

Cornelia Frenkel

Alexander Rodtschenko. Musée Unterlinden. Colmar. Mi-Mo 10-18, Do 10-20 Uhr. Bis 2. Oktober.
www.musee-unterlinden.com