Hans-Christian Lotz zeigt Digitales und Analoges im Kunstverein Freiburg

Sich verschließende Oberflächen

Soll man das persönlich nehmen? Eben noch zeigte der Bildschirm eine Animation von Kugeln, die sich zu immer kleiner werdenden Flächen zusammensetzen, doch jetzt ist die Bildfläche schwarz bis auf den flirrenden Balken in künstlichen Farben, der sich unaufhörlich verändert. Hans-Christian Lotz‘ Arbeiten, bis März zu sehen im Kunstverein Freiburg, scheinen ganz gut ohne den Betrachter auszukommen

Hans-Christian Lotz: Schau ohne Titel (© Marc Doradzillo)
Hans-Christian Lotz: Schau ohne Titel (© Marc Doradzillo)

Erst, wenn man sich wieder vom Bildschirm entfernt, beginnt das Spiel von neuem und dann entsteht auch ein Dialog zwischen den gläsernen Fassadenelementen, die neben dem Bildschirm in einem ganz eigenen Rhythmus hängen. In einer früheren Ausstellung hatte Lotz elektronische Schiebetüren im Ausstellungsraum installiert, die sich öffneten, sobald man den Bewegungsmelder auslöste.

In Hans-Christian Lotz‘ Werk wechselt sich Digitales mit Analogem ab. So entstehen die seltsamen grafischen Muster, indem Lotz Daten mit Chiffrierprogramen bearbeitet. Wenn etwas noch daran erinnert, dass Hans-Christian Lotz ursprünglich von der Malerei kam und bei Michael Krebber an der Städelschule auch zwei Jahre bei einem Maler studiert hat, dann sind es die Oberflächen seiner Arbeiten. Unbesehen, ob es sich um Vitrinen handelt, Bildschirme oder eben die gläsernen Fassaden, die von einer mittelständischen Bank oder einer Versicherung stammen könnten, immer sind die Flächen glatt und ihr Format ähnelt Bildern. Das Glas reflektiert nicht nur den Betrachter, es macht auch sichtbar, dass darunter noch etwas anderes liegt. So wie die Leinwand meist unter der obersten Schicht weitere aufweist.

Vor allem die vier Vitrinen, die auf der Galerie des Kunstvereins stehen, sind Verweise auf ein Ausstellen, das mit Modellen arbeitet. Doch auch hier herrscht Hermeneutik. In einer der Vitrinen wird verdeutlicht, wie Leitungen in Fußbodenheizungen verlegt werden, in einer anderen finden sich Keramikobjekte neben Holzelementen, die Teile einer so genannten T-Shirt-Kanone sind, mit der bei Großveranstaltungen T-Shirts in die Menge geschleudert werden.

Hans-Christian Lotz, der 1980 in Hamburg geboren wurde, macht keine Kunst, die sich von selbst versteht, doch verzichtet zugleich auf vermittelnde oder sprechende Elemente. So ist die Schau titellos geblieben, anderswo erschien nicht einmal ein Pressetext. Der Berliner Künstler befasst sich unter anderem mit Fraktalen, digitalen Bildgebungsverfahren und Verschlüsselungsprogrammen, die eine seltsame Retro-Ästhetik generieren. Was vom Künstler beeinflusst ist, was durch die Programme erzeugt wird, ist für den Laien nur schwer zu durchschauen. Sind die hakenkreuzförmigen Muster, die unter den Darstellungen von Fraktalen auftauchen, gewollt oder ein untergründiges Muster?

Nicht grundlos jedenfalls hat Hans-Christian Lotz für eine seiner drei Chiffrierungsarbeiten ein Reenactment der Süddeutschen Zeitung von den NSU-Prozessen als Ausgangsmaterial gewählt. Von den Schauspielern, die vor Mikros am Tisch die Texte der Prozessbeteiligten sprechen, ist auf dem Video nichts mehr zu erkennen. Artefakte, wie man sie von Bildbearbeitungen kennt, wie Strudel oder Moiréeffekte fließen über den Bildschirm. Doch das muss man wissen. Lotz‘ Kunst erklärt sich nicht, sie fügt dieser digitalen Wirklichkeit eine weitere Verunsicherung hinzu.

Annette Hoffmann

Hans-Christian Lotz. Kunstverein Freiburg, Dreisamstr. 21. Dienstag bis Sonntag 12 bis 18 Uhr, Mittwoch 12 bis 20 Uhr. Bis 11. März.
Infos: www.kunstvereinfreiburg.de