Geschüttelt nicht gerührt

Der neue James Bond: „Ein Quantum Trost“
Wahrhaft durchgeschüttelt wird man als Zuschauer im neuesten, 22. Film der Bond- Reihe, „Ein Quantum Trost“. Gerührt wird da zwar weder Bonds Martini – das wär auch eine Sünde – noch der Zuschauer – dafür bleibt keine Zeit. Im neuen Bond rast alles: Krach! Bumm! Bäng! – Geschüttelt eben. „Ein Quantum Trost“ ist der teuerste, kürzeste, schnellste und miserabelste Film der ganzen Reihe seit „James Bond – Im Geheimdienst ihrer Majestät“ von 1969. Und dazu braucht es viel….sprich wenig – wenig Inspiration.

Dass Bond versagt, hat man dennoch selten erlebt. Ian Flemings Geheimwaffe des britischen Superagenten war jahrzehntelang nicht nur das Erfolgreichste was aus Großbritannien auf den großen Kinomarkt kam, sondern auch das Amüsanteste, Spannendste und Stilvollste. Bond war hieb und stichfeste beste Kinounterhaltung und hatte seine Fans unter Jugendlichen ebenso wie unter gestandenen Cineasten. Zugegeben: Wir waren misstrauisch als Connery von Roger Moore abgelöst wurde, doch machte Moores Selbstironie Connerys Brusthaare durchaus wett. Selbst mit solch zweitklassigen Bonds wie Shakespeareschauspieler Timothy Dalton – steif und zugeknöpft – oder Exmodel George Lazenby konnte man irgendwie leben. Bond hatte einfach immer etwas zu bieten: Aufregende Frauen (Ursula Andress in „Dr. No“), rasante Action, flotte Sprüche, ausgeklügelte Geheimwaffen, einen finsteren deutschen oder russischen Bösewicht (unvergesslich „Goldfinger“ Gerd Fröbe) und der lockere Charme eines einigermaßen männlichen Hauptdarstellers im Smoking reichten mühelos aus um den Martini „dry“ zu halten.

Der neue James Bond wurde (wie man sieht) kräftig durchgeschüttelt...
Der neue James Bond wurde (wie man sieht) kräftig durchgeschüttelt...

Was also ist passiert? Mit Pierce Brosnan als Bond war die Reihe in den letzten Jahren auf dem absteigenden Ast. Bond verkam immer mehr zu einem Aushängeschild für Autowerbung und Markenware. Die Sponsoren der Filme wurden mit ihren Produkten immer großformatiger präsent – Bond war oft nur mehr attraktive Dekoration. Doch die Storys waren immer noch leidlich gut und Pierce Brosnan hatte genügend Charme um uns zumindest an Roger Moore und die guten, alten Tage des britischen MI6 zu erinnern. Bis 2006 alles umgekrempelt wurde. Angesichts fallender Zuschauerzahlen war dies in den Augen der Produzenten der einzige Ausweg aus einer herannahenden Bondpleite. Regisseur Martin Campbell wurde mit dem neuen Rezept eines gebrochenen Antihelden beauftragt und die Zuschauer trauten ihren Augen nicht.
Dabei ist „Casino Royal“ ein großer, anspruchsvoller Film – als Bondfilm zweifelhaft – als filmisches Werk aber unbestechlich. Bond entledigte sich seiner Föhnwelle und ging nun in die lange Reihe der neuen, erwachsen gewordenen Kinohelden wie Batman und Spiderman ein, die ebenfalls ihres Comiccharmes abtrünnig als tiefenpsychologische Figuren zwischen Gut und Böse in die postmodern, ewig reflektierende Welt des 21. Jahrhunderts eingehen durften. Die Kritiker überschlugen sich vor Lob und das ist meist kein gutes Zeichen für Superhelden. Doch Martin Campbells erstklassige Regie und das exzellente Drehbuch machten uns Bond beinahe vergessen und auch über das Packpapiergesicht von Daniel Craig konnte man angesichts seiner Fähigkeiten als Charakterdarsteller hinwegsehen. „Ein Quantum Trost“ beginnt nun dort wo „Casino Royal“ aufhört – im Handlungsverlauf knapp eine Stunde später – im italienischen Siena. Schon die erste Szene des neuen Films ist eine Verfolgungsjagd. Bond im neuen Aston Martin braust seinen Peinigern aus „Casino Royal“ im engen Autotunnel davon und entkommt wie immer durch gewagte Überholmanöver nur knapp dem Tod. Der Schweizer Regisseur Marc Forster, ein filmisches Chamäleon, setzt ganz auf Actionsequenzen und aalglatte Bilder. Forster, der mit den pseudo- anspruchsvollen Film „Monster Balls“ und dem kitschig- schönen „Wenn Träume fliegen lernen“ bewiesen hat, dass er die ganze Bandbreite der filmischen Tricks zu bedienen weiß, liegt bei Bond leider völlig falsch. Sein Film ist durchweg hektisch und dennoch seltsam unbevölkert. Und Bond selbst bleibt weder Zeit für Charme noch Tiefenpsychologie. Als müsste Forster beweisen, dass sein Bond ein noch geschlagenerer Held ist, lässt er ihn vollständig demolieren, ohne ihm jemals eine Verschnaufpause zu gönnen. Soviel Blessuren, Narben und verschmutzte Hemden hatte Bond noch nie wie in diesem Film.

In den kurzen Passagen zwischen den Knallerein bekommt Duracellhäschen Craig die ausdruckslose Olga Kurylenko als Bondgirl an die Seite und zwei Schurken, die wie fade Versionen von Sydney Greenstreet und Peter Lorre wirken. Dabei ist Mathieu Amalric als Dominic Greene zumindest noch neurotisch genug, um einigermaßen Furcht und Schrecken zu verbreiten. Er ist ein finanzieller Aasgeier, der unter dem Deckmantel von Umweltschutz und Wohltätigkeit Bolivien seiner Wasserressourcen beraubt. Amalric konnte sich zuletzt einen ausgezeichneten Ruf mit dem Film „Schmetterling und Taucherglocke“ sichern, in welchem er den ehemaligen Chefredakteur von „Elle“- Paris, Jean-Dominique Bauby spielt, der an dem seltenen „Locked- In-Syndrom“ litt. Dies ein äußerst sehenswerter, bewegender kleiner Film, der derzeit das Heimkinovergnügen größer als das Kinovergnügen mit Bond und Co erscheinen lassen dürfte. Bond ist tot – möge er in Frieden ruhen.

Manuel Kreitmeier