Gasoline – eine Ausstellung im Kunsthaus L6

Choreografie des Betrachtens

Der weiß getünchte leere Raum, im Ausstellungskontext genannt „White Cube“ – er galt seit den 1920er Jahren als der wahre Rahmen für Kunst schlechthin, um jede Interaktion zwischen Architektur und Kunst zu unterbinden. Seit einigen Jahren allerdings wurde dieses Konzept zunehmend unterhöhlt, da man (wieder) gewahrte, dass sich Kunst durch Architektur (wie natürlich auch umgekehrt) eindrucksvoll inszenieren lässt.

Auch den vier jungen Kunstschaffenden Konstantin Friedrich, Nadjana Mohr, Sanna Reitz und Frida Ruiz geht es in ihrer Ausstellung „Gasoline“ darum, dem Ausstellungskonzept des „White Cube“ zu entrinnen. Kennengelernt haben sich die vier im Studium bei Leni Hoffmann und Tatjana Doll an der Freiburger Außenstelle der Staatlichen Akademie der Künste Karlsruhe. Dort haben manche ihr Meisterschuljahr bereits abgeschlossen, andere stehen kurz davor.
Von (Selbst-)Inszenierung kann bei dieser Ausstellung im Kunsthaus L6 allerdings keine Rede sein. Denn erstes Prinzip war hier der sogenannte „Whole train“; was im Jargon der Graffiti-Kunst bedeutet, dass von einer Gruppe die „ganze Länge eines Zuges“ bearbeitet wird. Somit sollte alles, wirklich alles in diesem Raum – wenn auch ohne jegliche Vorgabe, so doch in engstem Austausch miteinander – einem einheitlichen Konzept unterstellt sein. Eine ganze Woche lang wohnte, nächtigte und arbeitete die Gruppe im L6, um den Raum gemeinsam Quadratmillimeter um Quadratmillimeter zu erfassen. Dafür war der Titel bereits Programm: Wie leicht entflammbares Benzin (engl. gasoline) sollte sich die Inspiration des einen an der des anderen entzünden.
So entstehen zunächst natürlich Gemeinsamkeiten. Etwa die Verwendung der Farbbalken, die über das gesamte Konzept den verbindenden Bogen schlagen. Auch werden von allen vier Kunstschaffenden dieselben Farben verwendet, wenngleich sie vornehmlich im Kontrast eingesetzt werden. Auf der anderen Seite lassen sich die unterschiedlichen Vorgehensweisen wiederum deutlich voneinander abgrenzen. Im Prinzip geht jedoch alles ineinander über: Auf der rechten Wand gleich beim Eingang eröffnet Konstantin Friedrich das lineare Spiel, in das er ein Farbgewitter von Nadjana Mohr einbindet. Wie ein Farb-Fall, der von schwarz-rostigem Firnis überlagert ist, ergießt sich auch deren rückwärtige Wandgestaltung über die Fläche. Links des Eingangs erwächst Sanna Reitz´ Wand-
installation, die sich sanft in den Raum hineinwölbt, wiederum den schlichten, direkt auf die Wand aufgebrachten Linien Konstantin Friedrichs, um dann in Frida Ruiz’ Raumstrukturen zu münden, die – in farbige Dreiecke gegliedert – den größten Teil des Raumes vereinnahmen.
Auch wenn sich alle vier Kunstschaffenden zunächst malerisch an den Raum herantasten, erschließen ihre großflächigen Installationen schon bald neue Räume. Farbschrägen geben Richtungen vor und zwingen dem Betrachter eine regelrechte Choreografie der Begehung des Raumes auf, welcher dadurch mit einem Mal selbst zum Kunstwerk wird.

„Gasoline“, Kunsthaus L6, Lameystraße 6, Freiburg. Geöffnet: Do/Fr 16 bis 19 Uhr, Sa/So 11 bis 17 Uhr. Bis 2. August.

Friederike Zimmermann