Dürrenmatt unter freiem Himmel

Das Wallgraben Theater zeigt „Romulus der Große“ im Rathausinnenhof

1949, als Friedrich Dürrenmatts Komödie „Romulus der Große“ Premiere feierte, war das Aussitzen geopolitischer Konflikte keine eigentlich opportune Lösung. Und auch 476 nach Christus, als das Römische Reich in den letzten Zügen lag und leider auch nicht im Jahr 2016, das bislang viel dafür tut, als Krisenjahr in die Geschichte einzugehen.
In Romulus Verweigerungshaltung: „Ich möchte die Weltgeschichte nicht stören“ steckt also auch ein Stück negativer Utopie.

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Hans Poeschl als Romulus © Veranstalter

Denn, nur mal angenommen, alle würden sich jeglicher Machtausübung enthalten und ihr Glück im Kleinen suchen, würde das nicht die Grausamkeiten und Kriege auf ein absolutes Minimum reduzieren? Doch Romulus ist nur bedingt ein Bruder im Geiste von Melvilles Schreiber Bartleby, er will ja. Nämlich Eier zum Morgenessen, Wein aus Schliengen und überhaupt Hühner züchten.
In Peter W. Hermanns‘ Inszenierung von Dürrenmatts Komödie trägt das Dach der kaiserlichen Villa Stroh, ein marmorierter Thron dominiert die Freiluftbühne im Rathausinnenhof und mehrere Stelen stehen wie auch ein Sektkühler auf ihr herum. Am Ende wird Romulus (Hans Poeschl) diese Büsten römischer Heroen, kluger Geister und Kaiser an einen Kunsthändler verschachert haben, allein das Denkmal, das er dem Huhn gesetzt hat, wird bleiben und auf das Geschehen an diesem Märztag 476 mit größter Seelenruhe herabschauen.
In weiser Voraussicht hat Romulus seine Hühnerschar nach seinen Vorgängern, seinem germanischen Feind Odoaker und dem römischen Philosoph Mark Aurel benannt. Und wirklich findet Hans Poeschls Romulus einen abgeklärten, heiteren, leicht ironischen Ton, der immer ein bisschen über den Dingen steht und das panische Verhalten seiner Familie und seines Hofes angesichts der drohenden Gefahr aus Germanien kommentiert. Liebevoll füttert er sein Lieblingshuhn Rommy, das auf seinem Arm vor sich hin gackert, ermuntert seine Tochter Rea (Natalia Herrera), seine ehrgeizige Frau Julia (Sybille Denker) hat er hingegen längst aufgegeben.
Es ist dieser Ton und ein zurückhaltendes Spiel, das die Inszenierung trägt, auch dann, wenn man glaubt, halb Rom und auch Ostrom knäueln sich auf der Bühne und es rein personell etwas unübersichtlich wird.
„Romulus der Große“ ist zwar eines der weniger häufig gespielten Stücke Dürrenmatts, doch zuletzt war es öfters, etwa in Weimar und Zürich zu sehen. Kein Wunder, schließlich gibt es Parallelen zur Gegenwart. Regisseur Peter W. Hermanns verzichtet auf Aktualisierungen und lässt in historisiertem Kostüm spielen (Kostüm und Choreografie: Juliane Hollerbach). Dadurch ist dieser „Romulus“ auch Psychodrama und Parabel, was Running Gags wie einen altersschwachen Mars (Johann Jakoby) und einen immermüden Soldaten (Burkhard Wein), der Schlaf für unheroisch zu halten scheint, miteinschließt.
Von den Darstellern verlangt dieses nicht eben figurenarme Drama vielfachen Rollenwechsel. Vor allem Ives Pancera gelingt es hier, allen seinen Figuren etwas Charakteristisches zu verleihen und bei ihm ist auch Dürrenmatts selbstverständliche Thematisierung des Schweizerdeutschen gut aufgehoben – die Premiere fand 1949 in Basel statt. Dieser „Romulus der Große“ ist eine amüsante Anleitung zur Gelassenheit.

Weitere Vorstellungen: bis 3. September, jeweils 20.30 Uhr im Rathausinnenhof, außer montags und 7./14./21. August.

Annette Hoffmann