Die Fondation Beyeler zeigt Werke von Calder und Fischli/Weiss

Größer könnte der Unterschied zu Francisco de Goyas programmatischem Werk „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ kaum sein. In aller Seelenruhe hebt sich der Brustkorb der Ratte und des Panda, völlig entspannt liegen die beiden Plüschtiere auf dem Boden der Fondation Beyeler und dösen vor sich hin. Da mag passieren, was will. Über ihnen erhebt sich ein Mobile Calders, das zu den Enden hin immer verzweigter und filigraner wird. Es sieht aus, als sei „Snow Flurry“ von den beiden erträumt. Kein Alp, keine Fledermäuse, aber wohl auch keine Vernunft. So nah kommen sich Peter Fischli/David Weiss und Alexander Calder in der Ausstellung selten. Die Ankündigung, eine Schau mit Werken von Calder und Fischli/Weiss zu zeigen, überraschte. Denn was haben die Mobiles des 1976 gestorbenen Calders schon mit den geistreichen Witzen des Schweizer Künstlerduos gemeinsam, die 1979 begannen, gemeinsam zu arbeiten?


Die von Theodora Vischer kuratierte Ausstellung wartet mit einer Herleitung von Calders Mobiles aus seinem Werk auf. Sie dokumentiert die Begeisterung des Amerikaners für den Zirkus durch kleine Figuren, die er in Vorstellungen animierte, zu denen er Freunde und Bekannte einlud. Sie sind Fischli/Weiss’ Assemblagen gar nicht fern. Und dann sind da noch die Mitte der 20er Jahre entstandenen Bilder vom Zirkus und die Drahtgebilde. Eines, „The Brass Familiy“ von 1929, zeigt einen Artisten, der auf seinen muskulösen Armen eine ganze Familie stemmt. Unter der linken Achsel hat Calder seinen Schriftzug platziert. Und schon hier deutet sich an, was die drei Künstler zu Wahlverwandten macht. Es ist die Lust am Schwerelosen, die Suche nach einem fragilen Gleichgewicht. Fischli/Weiss haben es den Naturgesetzen in den 80er Jahren durch ihre Serie der „Equilibres“ abgetrotzt. Aus einfachen Küchenutensilien und Lebensmitteln entstanden geradezu unmögliche Arrangements. Ist das Gleichgewicht bei Calder der glückende Moment, ist es bei Fischli/Weiss eher der Augenblick kurz vor dem Scheitern. Die Niederlage selbst bekommen wir nicht zu Gesicht. In der heiter-gelassenen Kunst der drei liegt eine Absage an eine Gesellschaft, die rein auf Produktivität angelegt ist. Man sollte nicht vergessen, dass Fischli/Weiss einmal in der Punkszene von Zürich verkehrten.

Was das Künstlerduo in seiner wohl bekanntesten Arbeit „Der Lauf der Dinge“ in das logische Nacheinander des Filmes wendete, findet sich bei Calder als Simultaneität von Raum und Zeit. In „Small Sphere and Heavy Sphere“ von 1932/33 haben die meisten Dinge Bodenhaftung. Ein kleinerer und ein größerer Ball bringen Objekte wie einen Gong, mehrere Flaschen, eine Holzkiste und eine Dose zum Klingen. Erwartet man schon nichts mehr, setzt plötzlich eine sachte Bewegung ein. Bei „Red Disc and Gong“ von 1940 wird ein Gong von einem Klöppel, der mit einer roten Scheibe verbunden ist, angeschlagen.

Manche wollten das Perpetuum mobile erfinden, Calder das Gegenteil: „Was ich gern getan hätte, ist, eine Kugel ohne irgendwelche Hilfsmittel frei im Raum schweben zu lassen, aber ich konnte es nicht“, sagte er einmal. Seine Mobiles brauchen zum Schweben Aufhängungen, die Luft und Bewegungen. Ihre Aststruktur ähnelt dabei der Arbeit von Fischli/Weiss „Ohne Titel (Fragenprojektion)“, deren Sätze als Linie oder Wellenbewegung auf die Wände geworfen werden. Dabei scheinen sie einer Grammatik entspannter Gelöstheit zu folgen, wenn es heißt: „Warum muss ich kämpfen“, „Gibt es die Welt auch ohne mich“ oder „Should I take drugs“. Die Ausstellung ist auch ein Plädoyer, den Spieltrieb in der Kunst wieder ernster zu nehmen.

Alexander Calder, Fischli/Weiss. Fondation Beyeler, Baselstr. 101. Montag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 20 Uhr. Bis 4. September.