Der Turm fällt nicht

Das Theater Basel befasst sich mit der unsichtbarsten und bedeutendsten Bank der Welt

Das Gebäude, das den Stoff lieferte für Theresia Walsers Groteske „Im Turm zu Basel“, ist längst nicht das höchste der Stadt. Es muss also andere Gründe dafür geben, dass man es mit dem Turm zu Babel in Verbindung bringt.

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Carina Braunschmidt und Vincent Glander © Simon Hallström

Die Hybris des Turmes hat viel mit Geld zu tun und mit Politik, obwohl man von sich behauptet, völlig unpolitisch zu sein. Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich, kurz BIZ, tut so als sei sie gar nicht da, sie duckt sich weg. Nur wenige Minuten vom Schweizer Bundesbahnhof entfernt pflegt man Diskretion, man genießt Immunität und befindet sich auf exterritorialem Gebiet.
Gegründet wurde das Institut 1930, um die Reparationszahlungen Deutschlands über eine unabhängige Bank zu regeln, während des „Dritten Reichs“ stand es unter erheblichem Einfluss der Nationalsozialisten. Dennoch hat die Bank sich bis in die Gegenwart gehalten. William White, ihr früherer Chefökonom, sagte, die BIZ gäbe die Regeln für die Banken der Welt vor. Alle zwei Monate trifft man sich, um gemeinsam zu essen, zum Reden und um über Ökonomie zu sprechen. All das kann man Artikeln entnehmen, die sich mit dem Phänomen der BIZ befasst haben.

Viel mehr an Informationen lag wohl auch Theresia Walser nicht vor, die vom Theater Basel mit dem Stück beauftragt wurde. Die Hybris beschreibt auf der Bühne die Fallhöhe einer Person. Doch eine Bank, die sich selbst gehört und einfach zu groß ist, um zu fallen, ist für die Bühne ein dramaturgisches Problem. Entsprechend viel Raum nehmen in Sebastian Schugs Uraufführung Wiederholungen und Anekdoten ein. Sie setzt mit der Gründung der Bank ein, bei der während des Fototermins ein Vorhang in Brand gesetzt wurde, so dass die Bank beinahe abgefackelt worden wäre, bevor sie überhaupt ihre Geschäfte hätte aufnehmen können.
Christian Kiehl hat im Schauspielhaus des Theater Basel ein repräsentatives Setting geschaffen, das Bar und Foyer zugleich ist, eine Designer-Lampe hängt über dem Tresen und einem Staubfänger von Blumengesteck. Johannes Winde sorgt für entspannte Klaviermusik. Historische Fotos der Bank begrenzen die Bühne nach hinten.
Die Banker mögen nur alle zwei Monate einfliegen, doch verwaist ist der Turm nicht. Die Turmherrin Tronje (Katja Jung) und die beiden Saaltöchter Fine (Liliane Amuat) und Lynn (Carina Braunschmidt) ziehen derweil die Vorhänge auf und zu, stauben ab und versorgen die Blumen. Ihre absurden Dialoge bringen ein bisschen Marthaler-Atmosphäre in die Inszenierung, auch wenn ihre alterslose Existenz geradezu märchenhaft wirkt. Und etwas Thomas Bernhard ist auch dabei. Nun ist eine Groteske nicht die subtilste Textform, doch das ist wie vieles an diesem Abend ein bisschen zu vorhersehbar.

„Im Turm zu Basel“ mag man die Weltwirtschaft retten, zumindest deren neoliberale Ausrichtung, doch besonders theatralisch darf man sich das nicht vorstellen. Die Turmluft bringt Sonderlinge hervor, ein Wunder, dass Argentinien (Vincent Glander) da unbedingt hinein will. Tronje steht in Nibelungentreue zum Chef des Turmes Mr. Greeper (Thomas Reisinger). Katja Jung verleiht ihrer Figur eine gut dosierte Prise Hysterie, von der man nicht weiß, ob sie vom Ehrgeiz kommt, Greepers Stellvertreterin zu werden oder von erotischeren Ambitionen. Simon Zagermann und Orlando Klaus legen Typen mit ausgewachsenen Ticks vor, Ferchl spuckt den anderen unentwegt Sonnenblumenkerne vor die Füße, dass er ein brillanter Kopf sein soll, geschenkt. Guston macht sich lieber nicht selbst die Hände schmutzig, das haben ja schon seine irischen Vorfahren getan.
Und natürlich hat auch diese Bank Goldbarren im Keller. Das hatte man fast schon geahnt.
Weitere Vorstellungen: 1./3./ 7./22./24. und 30. Oktober im Theater Basel (Schauspielhaus).

Annette Hoffmann