Budapest und Pécs – Zwischen den Zeiten und Welten

Die Quadratur des Kreises ist es zwar noch nicht, aber die Symmetrische Kunst aus Ungarn steht kurz davor.
Ungarn, sagt Susanne Asche, Kulturreferentin der Stadt Karlsruhe, stand geographisch wie historisch schon immer zwischen den Zeiten und Welten. Das gilt auch für Ungarns Künstler. Weshalb ein Blick auf speziell ungarische Kunstformen im Rahmen der 20. Europäischen Kulturtage in Karlsruhe unter dem Motto „Budapest und Pécs – Zwischen den Zeiten und Welten“ interessant ist.

Auch das ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie beteiligt sich am Programm der Europäischen Kulturtage. ZKM-Direktor Peter Weibel und Julia Fabényi vom Janus Pannonius Museum in Pécs haben eine kleine, aber feine Ausstellung mit einer Auswahl Symmetrischer Kunst aus Ungarn zusammengestellt. Symmetrie sei die Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft, erklärt Weibel die Wahl des Themas. Er verweist auf die „ungeheure mathematische Begabung der Ungarn“, die eine Reihe bahnbrechender Forschungsergebnisse im Bereich Mathematik und Physik vorweisen könnten, ohne je internationale Anerkennung dafür zu ernten.
Ähnlich geht es ungarischen Künstlern, die nur im Ausland zu Ruhm gelangen können. Wer in Ungarn arbeitet, bleibt unbekannt. Im Bereich  der Symmetrischen Kunst sieht man das deutlich: Victor Vasarely wurde zu einem Begriff, auch wenn die Titulierung als „Kaufhaus-Künstler“ etwas zweifelhaft ist. Die anderen 17 in der Ausstellung vertretenen Künstlerinnen und Künstler kennt in Westeuropa kaum jemand. Vasarely, der seine Kunstwerke in Kaufhäuser brachte, wollte eigentlich ganz progressiv Kunst für alle schaffen statt für einen kleinen Kreis reicher Kunstsammler. Ihm ist einer der drei Räume der Ausstellung gewidmet.

Zu Vasarely geht es nach links, zur Entdeckung der unbekannten Künstler nach rechts. Auf beiden Seiten spielt die Symmetrische Kunst mit der Durchbrechung symmetrischer Objekte und der raffinierten Täuschung des menschlichen Sehvermögens. Besonders beliebt ist der Würfel, der spielerisch aufgeklappt, gefaltet, oder durch Kugel und Kreise durchbrochen wird. Die zauberhafte, geradezu romantische Skulptur eines Frauenkopfes von Istvan Bencsik entpuppt sich auf der Rückseite als ein aus vielen hölzernen Würfelchen zusammengesetztes Werk.

Auf die Kunst des trompe l’oeil verstand sich auch Dora Maurer. Sind es vier oder fünf Quadrate? Man muss schon genau hinsehen, um zwischen den farbigen Linien und dem tatsächlichen Bild zu unterscheiden und bei ihren „Five from four“ richtig zu zählen.
Vieles deutet auf eine Verwandtschaft zur westlichen Op Art, dabei waren die ungarischen Künstler in den Siebziger Jahren durch den Eisernen Vorhang von der Kunst im Westen abgeschnitten. Ihre Symmetrische Kunst stellte einen stillen, aber deutlichen Protest gegen den real existierenden Sozialismus dar. Statt heroischer Abbildungen von Helden der Arbeit unterliefen sie die künstlerischen Vorgaben der Politik, indem sie abstrakte Kunst machten.
Die Ausstellung zeigt, wie vielfältig Symmetrische Kunst sein kann. Dazu gehören die Schattenspiele von Ferenc Ficzek, aber auch die mikadoähnliche, umgekippte Konstruktion aus geraden Holzstreben von Janos Megyik. Für Peter Weibel handelt es sich bei diesem Werk um einen explodierten Würfel.

Vasarelys Arbeiten sind Meisterwerke in der Variation von Kreisen, Würfeln, Rauten, Dreiecken und Linien. Die Op Art der Siebziger wäre ohne Vasarely nicht denkbar. Bis heute sind die gekonnt 3 D-Effekte suggierenden Werke Vasarelys faszinierend. Nach der zeitlosen Symmetrischen Kunst aus Ungarn bietet es sich an, um die Ecke zu gehen und in die Welt der Medienkunst einzutauchen: „Imagining Media“, die Jubiläumsausstellung des ZKM, läuft bis Ende des Jahres. „Symmetrische Kunst aus Ungarn“ ist bis zum 20. Juni zu sehen.

ZKM
Lorenzstr. 19
76135 Karlsruhe
Tel.: 0721/81 000
Mi-Fr 10-18 Uhr, Sa+So 11-18 Uhr
www.zkm.de

Artikel von: Nike Luber