Augustinermuseum: Haus der Graphischen Sammlung eröffnet mit Hans Baldung Grien

Der zweite Bauabschnitt der Sanierung des Museums steht kurz vor Fertigstellung

ASES-UTRE-GIMU-UNUM – im ersten Moment wollen sich die großen Lettern auf der fensterlosen Fassade noch nicht so recht erschließen, doch schon im nächsten wird klar: Andersherum gelesen, nämlich jeweils von oben nach unten, wird ein Wort daraus: AUGU-STIN-ERMU-SEUM. Die Lettern befinden sich jeweils in kleinen Nischen, die sich auf der fensterlosen Fassade wie kleine Blendfenster ausnehmen, was ihr ein harmonisches Gesamtbild verleiht. Jeder Buchstabe weist zudem eine eigene Typographie auf – ein Hinweis darauf, was sich hinter der Fassade befindet: Die Graphische Sammlung, die am 17. September mit Holzschnitten von Hans Baldung Grien eröffnet wird.

Fassade des Hauses der Graphischen Sammlung, Augustinermuseum Freiburg
Haus der Graphischen Sammlung, Augustinermuseum
© Städtische Museen Freiburg 2016 Foto: Florian Bilger

Wir stehen mit Felix Reuße, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Augustinermuseums und Leiter der Graphischen Sammlung, in der Salzstraße vor dem Gebäudekomplex, der nach der Fertigstellung des zweiten Bauabschnitts für das Publikum geöffnet wird. Er wird uns durch diesen neuen Teil des Augustinermuseums führen und die Funktionen der verschiedenen Räume erläutern.
Doch schon in der Außenansicht gibt es vieles zu bestaunen: Etwa die Fassade des dreiteiligen Neubaus, die sich – untergliedert in kleinere Hauselemente – homogen ins Altstadtbild einfügt. Wie schon beim ersten Bauabschnitt führte der Architekt Christoph Mäckler hier die Idee eines zugleich modernen wie historischen Museums fort, das überdies ohne jeglichen Historismus auskommt. Etwa indem er Giebeldächer anstelle von Flachdächern wählte, zudem lassen Vor- und Rücksprünge innerhalb der Fassade sowie ein Wechsel der Traufhöhe der jeweiligen Hauselemente das Gesamtbild lebendig erscheinen.
Der für den Neubau abgerissene Vorgängerbau, (viele erinnern sich bestimmt an das niedrige, blau gestrichene Haus), hatte noch den alten Chor der Augustinerkirche hinter seinen Mauern eingeschlossen. Dieser trat nun wieder zutage, vor seiner Rundung entstand sogar ein kleiner Platz. Zudem wurden einige Elemente integriert, die schon im Vorgängerbau besonders gefielen, etwa der Torbogen barocken Ursprungs mit dem bodentiefen „französischen“ Fenster darüber; eine Art Markenzeichen dieses faszinierenden Architekten, der es stets versteht, mittels historischer Bausubstanz Geschichte zu transportieren und zugleich dem Neuen eine Bühne zu bereiten.
Durch diesen Torbogen wird man später, nach Beendigung des dritten Bauabschnitts, in den Osthof gelangen. Hier sollen einmal Veranstaltungen stattfinden. Dann wird auch ein Steg den zweiten mit dem ersten Bauabschnitt, der Augustinerkirche, verbinden. In das links von der Graphischen Sammlung gelegene Gebäude, in dem einst das Geschäft „Elektro Hauser“ residierte, wird der neue Museums-Shop einziehen. Auch befindet sich hier ein zweiter Eingang, in deren hinteren Bereich eine Garderobe eingepasst wurde. In den darüber liegenden Etagen entstehen Büros für den Restaurierungsbereich.
Das logistische Herzstück im Inneren ist eine große LKW-Einfahrt, die den sicheren und barrierefreien Kunsttransport ermöglicht. Eine große Hebebühne, die auch Großformate zu fassen vermag, führt sowohl nach unten in den Tiefkeller, der einen Quarantäneraum zur Isolierung von schädlingsbefallenen Kunstwerken beherbergt, als auch nach oben zu den Verbindungsfluren, von wo aus man dann in die entsprechenden Ausstellungsräume oder in den Restaurierungsbereich gelangt. Hier steckt eine Menge Hightech drin, die berechtigte Vorfreude über all diese Vorzüge ist Felix Reuße deutlich anzumerken.
Das Publikum wird über die erwähnte Kleinodientreppe, eine geräumige Wendeltreppe, zum Ausstellungsraum der Graphischen Sammlung geführt. Mit dem zentralen Wendeltreppenhaus hat das Architekturbüro eine ästhetische wie funktionale Lösung gefunden, um zwischen den verschiedenen Stockwerkhöhen der historischen Bauabschnitte zu vermitteln. Die hellen Natursteinfliesen am Boden, die Wände aus gestocktem Beton mit seiner spezifischen, warm-gelben Tönung – all dies verleiht diesem Raum ein freundliches und ansprechendes Ambiente.
Ihren Namen hat die Kleinodientreppe von ihren verschieden großen Nischen, in die beleuchtete Glasvitrinen eingelassen wurden, um auch hier eine Präsentation von Pretiosen – Kleinodien eben – zu ermöglichen. Deren jeweiliges Format war nicht im Vorhinein für bestimmte Objekte konzipiert worden (zum Beispiel Vasen, Porzellangruppen oder anderes), da diese von Zeit zu Zeit auch ausgetauscht werden sollen. Zur Eröffnung werden sie Uhren aus der Sammlung Emil Ehrensberger (1858-1940) zieren.
Selbst im oberen Flur ist die Option für künftige Ausstellungen gegeben, da man ihn komplett abdunkeln kann. Dies ist speziell für Grafiken von großer Wichtigkeit, die nach Möglichkeit keinem Tageslicht ausgesetzt sein sollten, denn Licht ist deren stärkster Feind; auch elektrisches Licht, das – und zwar längstens für drei Monate – maximal 50 Lux betragen darf.

Holzschnitte Hans Baldung Griens vorwiegend aus dem eigenen Bestand

Der Ausstellungsraum hat eine Größe von zirka hundert Quadratmetern. Die Wände wurden im Hinblick auf die erste Ausstellung mit Holzschnitten von Hans Baldung Grien passenderweise tiefgrün gestrichen, bedeutet doch sein Namenszusatz „Grün“. Auch künftig soll jede Ausstellung ihren eigenen Farbauftritt bekommen. Ein Lichtgraben ermöglicht die gleichmäßige Ausleuchtung der Wände, eine subtile Lichtregie verspricht die punktgenaue Inszenierung des Gezeigten. Sowohl materiell als auch farblich zu den Wechselrahmen passend, die für diesen Raum angefertigt wurden, besteht auch das Bodenparkett aus Eichenholz.
Geboren 1485 in Schwäbisch Gmünd, gelangte der junge Baldung über Straßburg, wo er seine Ausbildung erhielt, weiter nach Nürnberg, um sich bei Albrecht Dürer fortzubilden. Da er – so sagt man jedenfalls – immer grüne Kleidung trug, nannte man ihn schon bald den „grünen“ Hans. Er sollte Dürers wichtigster Mitarbeiter werden und galt schon zu Lebzeiten als dessen eigentliche Nachfolger. 1509 siedelte Baldung nach Straßburg um, wo er seine eigene Werkstatt eröffnete. Fortan signierte er seine Werke mit dem Monogramm HGB. Von 1512 bis zirka 1516, also ganze vier Jahre, hielt sich der Künstler in Freiburg zur Schaffung des Hochaltars im hiesigen Münster auf – eine geraume Zeit, in der er auch etliche Holzschnitte anfertigte. Somit war Baldung für diese Stadt nicht nur von großer Bedeutung, sondern ihr auch gewissermaßen eng verbunden.

Hans Baldung Grien: „Wildpferde mit brünstigem Hengst und rossiger Stute (mit Äffchen und Betrachter)", Straßburg, 1534 © Augustinermuseum - Städtische Museen Freiburg Foto: Axel Killian
Hans Baldung Grien: „Wildpferde mit brünstigem Hengst und rossiger Stute (mit Äffchen und Betrachter)“, Straßburg, 1534 © Augustinermuseum – Städtische Museen Freiburg Foto: Axel Killian

Die meisten der insgesamt 58 ausgestellten Holzschnitte – davon 54 von Baldung – stammen aus dem eigenen Bestand. Neben religiösen Bildthemen enthält dieser auch Episoden aus der antiken Geschichte und Mythologie, auch profane Motive wie die drei Blätter mit den Wildpferden, die weltweit ihresgleichen suchen. Aber auch aus Sicht der Kunstvermittlung wird die Ausstellung einiges zu bieten haben: So wird es eine Taststation für Sehbehinderte geben, eine Technikstation wird die Entstehung von Holzschnitten nachvollziehbar machen. Leihgaben von handkolorierten Holzschnitten aus der Unibibliothek sowie eine Medienstation und anderes mehr ergänzen die Schau.

Hervorragende Ausstellungsoptionen für die Zukunft

Über dem Graphischen Kabinett befindet sich ein Magazin mit eigens angefertigten Grafik-Boxen zur fachgerechten Lagerung der zirka 70.000 Blätter; wiederum darüber ein weiteres Magazin für die weiteren 20.000 Blätter der Fotografie-Bestände und der Grafiken des Museums für Neue Kunst. Diese ermöglichen eine fachgerechte Lagerung bei idealer Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Zudem muss eine Grafik von ihrer Aufbewahrung bis hin zu ihrer Präsentation keine riskante Reise mehr zurücklegen. Ein ganz besonderes Highlight dieses Bauabschnitts stellt der Vorlegeraum dar, in dem die Blätter auf großen Tischen ausgebreitet werden können. Hier können sich Interessierte nach Voranmeldung zur Ansicht bestimmte Grafiken vorlegen lassen, im Gegensatz zu früher, da die Grafiken in ihren Behältnissen weitgehend unzugänglich und dem öffentlichen Blick entzogen waren.
Rahmenlager – Magazin – Restaurierungsbereich – Ausstellungs- und Vorlegeraum, alles nah beieinander und ohne große Wege dazwischen; dazu die verschiedenen Büros der Kuratoren, Werkstätten für die Textil- und Papierrestauratorinnen, ein Fotostudio mit -depot, eine großzügige Anlieferzone für Kunsttransporte, eigene Räume für die Vorbereitung von Sonderausstellungen, sowie ein Lastenaufzug – der sich übrigens erstmals bei der Winterhalter-Ausstellung mit ihren zum Teil sehr großen Formaten bewähren durfte –, ferner die Kleinodientreppe zum Ausstellungsraum der Graphischen Sammlung mit den beiden Magazinen darüber: Man darf sagen, die musealen Bedingungen für die Zukunft sind hervorragend, besser und effizienter geht es eigentlich nicht.
Das Haus der Graphischen Sammlung ist zwar Teil des Augustinermuseums, es wird aber auch grafischen Arbeiten aus den anderen Sammlungen sowie Leihgaben ein Zuhause bieten. In der zweiten Ausstellung (Eröffnung Februar 2017), werden Arbeiten der in Freiburg geborenen Künstlerin Susanne Kühn aus der Sammlung des Museums für Neue Kunst präsentiert. Ende 2017 sieht man einer Ausstellung mit Rembrandt-Radierungen entgegen.

17. September 2016 – 15. Januar 2017, Augustinermuseum – Haus der Graphischen Sammlung: Hans Baldung Grien, Holzschnitte. Anlässlich der Eröffnung Haus der Graphischen Sammlung gibt es folgende Sonderangebote für die Besucherinnen und Besucher: Sa 17.9. und So 18.9., 10 – 17 Uhr, Tag der offenen Tür, Eintritt frei. Mo 19.9. bis Fr 23.9., 10 – 17 Uhr, Preview-Woche, Kosten: Eintritt erm. 3 Euro.


Friederike Zimmermann

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